"Nimm mich doch mal mit"
Oft bekomme ich zu hören: "Nimm mich doch mal mit auf deine Touren". Ich frage dann zurück: "Auf welche Art von Touren - Wanderungen, Klettersteige, Hochtouren...".
"Na dort wo es so tolle schneebedeckte Berge gibt", kommt dann die Antwort.
Ok, Hochtouren sind also gemeint (Skifahren kann ich ja nicht). "Hast du denn schon mal einen Eiskurs gemacht?", frage ich nach. In der Regel kommt zurück: "Ne, was ist denn das?".
In diesem Artikel geht es genau darum:
Was ist ein Eiskurs?
Benötigt man diesen um auf Hochtouren gehen zu können?
Wo kann man so einen Kurs machen?
Welche Ausrüstung wird dafür benötigt?
Wie alles begann - Eiskurs beim DAV Ludwigsburg
Im November 2012 nahm ich an einem Hallenkletterkurs des Deutschen Alpenvereins (DAV), Sektion Ludwigsburg, teil. Ich verstand mich mit den Teilnehmern super. Schnell war klar, das wir nach dem Kletterkurs irgendwie gemeinsam weitermachen wollten.
Thomas, der den Kurs leitete, erzählte uns, das er außerdem einen Eiskurs anbietet - die Voraussetzung um später mit auf Hochtouren gehen zu dürfen. Durch seine Erzählungen über die Erlebnisse in den Bergen, waren wir gleich Feuer und Flamme. Wir meldeten uns also bei seinem Eiskurs an.
Bis dahin war noch etwas Zeit und ich beschäftigte mich nicht mehr wirklich mit diesem Thema.
Bisher kam jeder wieder raus
Ein paar Monate vorher gab es dann ein Vortreffen zum Eiskurs. Thomas erklärte uns, was uns genau erwarten würde. Ich muss gestehen, mir wurde etwas mulmig, als ich hörte, das jeder von uns in eine Gletscherspalte fallen muss um dann geborgen zu werden. Thomas meinte flapsig: "Bisher kam jeder wieder raus!". Naja, dann glaube ich ihm einfach mal.
Ausrüstungstechnisch benötigten wir folgendes:
- Steigeisen
- Eispickel
- Klettergurt
- Helm
- Bandschlingen
- Rebschnüre
- mehrere Karabiner
Natürlich mussten wir von der Kleidung her auch richtig ausgestattet sein. Auch beim Material gab es Unterschiede. Auf die Details gehe ich hier nicht ein. Eine vollständige Packliste werde ich in einem anderen Artikel zusammenstellen.
Leihen ist erst mal besser als kaufen
Die Ausrüstung ist ganz schön teuer, wenn man sich diese auf einmal anschaffen möchte. Ich wusste ja nicht, ob mir dieses Hochtourengehen wirklich gefiel. Daher entschied ich mich die Ausrüstung erst mal nur zu leihen.
Bei der DAV Sektion Ludwigsburg können Mitglieder recht kostengünstig allerlei Ausrüstung leihen. So hatte ich das damals dann auch gemacht.
Mein erster Gletscher - der Steingletscher
Im Juli 2013 war es dann endlich so weit. Wir fuhren mit einigen Fahrgemeinschaften zum Sustenpass in die Schweiz.
Am Ziel angekommen, packten wir unsere sieben Sachen (naja, war weitaus mehr) und machten uns auf den Weg Richtung Steingletscher. Nach einem kurzen Stück Bergweg kamen wir bald am Gletscherrand an.
Cool, ich hatte bisher noch nie einen Gletscher in echt gesehen. Schon gewaltig, diese Eismassen.
Erste Lektion - Rutschversuche
Wir wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Los ging es mit der ersten Lektion - Rutschversuche.
Kommt man auf dem Gletscher ins Rutschen, ist die ganze Seilschaft in Gefahr. Alle hängen an einem Seil. Mit dem Sturz eines Einzelnen, besteht die Möglichkeit, alle anderen mitzureißen. Um also schnellstmöglich beim Rutschen anzuhalten, gibt es eine bestimmte Technik.
Ziel dabei ist, in die Liegestützposition zu kommen. Der Kopf zeigt dabei in bergauf. Hat man diese Position erreicht, drückt man sich mit den Händen und Füßen nach oben (wie bei der Ausgangsposition der Liegestütze). Den Pickel drückt man dabei mit der Spitze in den Schnee bzw. das Eis. So hält man dann tatsächlich relativ schnell an.
Kopf voran auf dem Bauch, Kopf voran auf dem Rücken... alle möglichen Stürze mussten wir üben. Das machte echt Spaß, wobei ich insgeheim hoffte, nie in eine solche Situation zu kommen.
Erste Gehversuche
Ich wechselte die Gruppe und kam zu Franz. Er war der Companion von Thomas und unterstützte ihn beim Kurs. Bei ihm übten wir das richtige Laufen mit Steigeisen.
Der Gang - etwas breitbeinig und in den Knien - lief ganz gut. In steilerem Gelände kann man seitlich nach oben laufen und mit den Füßen übertreten. Diese Technik ist deutlich kraftsparender. Auch das übten wir.
Dann kam der Pickel zum Einsatz. Je nach Gelände konnte man diesen gut als Stütze einsetzen. Wichtig dabei: der Pickel befindet sich immer in der Hand die zum Berg zeigt. Das Seil der Seilschaft verläuft immer auf der anderen Seite, also der Seite die vom Berg weggeneigt ist. Komplizierter wurde es dann, wenn man in Kehren den Berg hinauf lief. Durch den ständigen Richtungswechsel musste man immer wieder die Pickel- und Seilseite wechseln. Gar nicht so einfach mit Steigeisen während des Laufens über das Seil zu steigen und das in steilem Gelände. Aber Übung macht bekanntlich den Meister und schon bald klappte es ganz gut.
Die Tierbergli-Hütte
Nach all dem üben ging es über den Gletscher weiter bis zur Tierbergli-Hütte - meiner ersten hochalpinen Hütte.
Die Toilette war wie ein Schwalbennest auf einem Absatz über den Felshang gebaut. Frischer Wind zog vom Plumpsklo empor. Duschen suchte man vergebens. Aus den Wasserhähnen plätscherte ganz seicht frostig kaltes Wasser. Hier oben herrscht Wassermangel. Aufwändig muss der Schnee aufgetaut werden, um so zumindest etwas Wasser zu haben.
Nach einem sehr leckeren Abendessen war Knotenkunde an der Reihe. Wir übten für die Spaltenbergung am nächsten Tag bereits trocken die Technik.
Toter Mann, auch bekannt als T-Anker
Am nächsten Tag war es dann soweit - wir mussten in die Gletscherspalte. Aber bevor es soweit war, übten wir erstmal noch auf sicherem Gelände.
Das ein "Toter Mann" für eine Spaltenbergung wichtig ist, war mir bisher ein Rätsel. Dabei ist es nichts anderes, als einen Eispickel in bestimmter Art und Weise zu vergraben. Anschließend wird dann mit Bandschlinge und Karabinern eine Sicherung gebaut. An dieser hängt dann später der Gestürzte. Krass, oder? Das Leben hängt sozusagen an einem vergrabenen Eispickel.
Der dritte Mann - oder Frau ;-) - aus der Seilschaft baut dann mit seinem Material einen Flaschenzug. Die ganze Mannschaft zieht nun mit vereinten Kräften den Gestürzten aus der Spalte heraus.
Echt gar nicht so einfach, vor allem in einer wirklichen Stresssituation. Dazu kommt, das die Bergung maximal 12 Minuten dauern sollte, da es sonst zu gesundheitlichen Schäden beim Gestürzten kommen kann. Da muss echt jeder Handgriff sitzen.
Der Sprung ins Ungewisse
Ich hatte erstmal den beiden Jungs Marcel und Micha den Vortritt in die Gletscherspalte gelassen. Aber drücken konnte ich mich nicht, da hatten Thomas und Franz ein Auge drauf.
Mit nassen Händen vor Angst, näherte ich mich dem Gletscherrand. Thomas versicherte mir, das ich nicht abstürzen würde, selbst wenn die Seilschaft versagt. Eine weitere Hintersicherung war vorhanden, die mich im Zweifelsfall halten würde.
So setzte ich mich also an den Spaltenrand und schwups...ich fiel....ahhhhhhhh. Und ja, das Seil hielt :-)
Versuch mal zu entspannen
Wirklich erleichtert war ich nicht. Völlig verkrampft hing ich da, umgeben von Eis. Meine Füße baumelten in der Luft und das Ende der Spalte konnte ich nicht erkennen. Als Thomas von oben herunter rief ob alles ok sei, versuchte ich mich etwas zu entspannen.
Zum ersten mal nahm ich die wahnsinnstolle blaue Farbe des Eises wahr. Die Kraft des Gletschers, solche Einschnitte zu schaffen, faszinierte mich total. Ich lehnte mich etwas zur Mitte und konnte durch die langgezogene Gletscherspalte die Hütte sehen. Was für ein mega Blick! Dieses Foto gehört noch heute zu meinen absoluten Lieblingsbildern.
Nach ein paar Minuten wurde ich dann wieder hoch gezogen. Ich war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.
Lehrreicher Tag
Verschiedenen andere Übungen folgten noch an diesem Tag: abseilen, klettern im Steileis, setzen von Eisschrauben, gehen am Fixseil, bauen einer Sanduhr sowie das richtige Lesen einer Karte mit Hilfe des Kompass.
Außerdem bauten wir den "Toten Mann" (oder T-Anker) nur mit einem schneegefüllten Handschuh anstatt eines Eispickels. Und siehe da, selbst das hielt. Zu fünft zogen war am Seil und erst bei der sechsten Person brach der Handschuh heraus.
Lichtkünstler
Am Abend war dann noch ein Lichtkünstler auf der Hütte. Dieser projizierte verschiedenen Symbole von außen auf die Hütte. Ich glaube es war wegen des Jubiläums des Schweizer Alpenvereins in diesem Jahr.
Alle versammelten sich vor der Hütte und genossen das Farbenspiel. Einfach traumhaft schön dieser Anblick.
Aufstieg zum Gwächtenhorn
Am nächsten Morgen ging es noch vor Sonnenaufgang los. Das Gelernte sollten wir jetzt umsetzen. Unsere erste Hochtour ging hinauf zum Gwächtenhorn.
Wir bildeten zwei Seilschaften. Jeder sollte einmal als erster laufen und die Führung übernehmen. Den Routenverlauf studierten wir am Vorabend anhand der Karte. Wir mussten auch die Pausen sowie den Wechsel der Führungsperson einkalkulieren. Natürlich sollte dies alles auf möglichst sicherem Gelände stattfinden. Thomas und Franz schritten ein, wenn es um sicherheitsrelevante Fehler ging. Ich glaube, wir stellten uns aber recht gut an.
Kurz nach Sonnenaufgang standen wir auf dem 3.420 Meter hohen Gipfel des Gwächtenhorns.
Gipfelfreude
Wow, schon cool - ich stehe auf meinem ersten Hochtourengipfel :-)
Da ich keine Skifahrerin bin, bekam ich ein solches Schneebergpanorama bisher nur selten zu Gesicht. Wir genossen die atemberaubende Aussicht und machten eine ausgiebige Vesperpause, bevor wir wieder abstiegen.
Weltbester Haslikuchen
Auf der Hütte angekommen, packten wir unsere restlichen Sachen zusammen, die wir noch in der Hütte lagerten.
Ich aß noch ein Stück vom mega leckeren Haslikuchen (Haselnusskuchen). Mhhhhh, wenn ich daran denke läuft mir das Wasser im Munde zusammen. Das Rezept hatte ich mir übrigens geben lassen und schon ein paar mal nachgebacken. Wer mich kennt weiß, ich liiieeebbbeee Kuchen ;-)
Zum Parkplatz ging es nicht wieder über den Gletscher, sondern über den Sommerbergweg.
Tourdaten
*Tierbergli-Hütte zum Gwächtenhorn*
Schwierigkeit: leicht
Strecke: 6,7 km
Auf-/Abstieg: 671 m
Dauer: ca. 4,5 h
GPX-Track siehe unten
*Über den Steingletscher zur Tierbergli-Hütte*
Schwierigkeit: leicht
Strecke: 5,5 km
Aufstieg: 932 m
Abstieg: 27 m
Dauer: ca. 2,5 h
GPX-Track siehe unten
Fazit:
Wer auf Hochtouren gehen möchte, sollte meiner Meinung nach auf jeden Fall einen Eiskurs machen. Das Wissen über und vor allem das Können der Spaltenbergung ist das Handwerkzeug eines Hochtourengehers. Ebenso das sichere Gehen mit Steigeisen und der Umgang mit dem Pickel sollte geübt sein - nicht nur für die eigene Sicherheit, sondern auch für die aller anderen.
Natürlich nehmen gewisse Bergführer auch ungeübte Menschen gegen Bezahlung mit auf Hochtouren. Für mich wäre das allerdings nichts. Ich möchte schon eine Ahnung davon haben, was ich tue und genauso erwarte ich das auch von meiner Seilschaft. Vertrauen am Berg ist extrem wichtig.
Den Eiskurs vom DAV Ludwigsburg kann ich wirklich sehr empfehlen. Das Programm für 2017 steht übrigens schon fest. Hier kommt ihr direkt zum Kursprogramm - vielleicht ist ja was für euch dabei ;-)
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