Allgemeine Infos
Verirren in Nepal? Geht das?
Oh ja, wenn ihr Myriam heißt und einen sturen Dickkopf besitzt, dann ist alles möglich ;-)
Was mir an Tag 9 unserer Trekking-Tour passiert ist, könnt ihr hier nachlesen. Aber zuerst wieder ein paar kulturelle Infos:
Auf einem Manistein sind heilige Texte oder Gebete eingemeiselt. Sie werden von Pilgern an heiligen Orten wie Passhöhen, Stupas und Klöstern abgelegt. Mit der Zeit entstehen so Manisteinhaufen oder -mauern. In Ghami steht die größte Mani-Wall in Mustang. Nach der Sage wurde dort ein Dämon getötet. Der Darm des Dämons war zu lang und passte nicht in die Stupa. Daher baute man die Mauer und begrub unter dieser den Darm des Dämons. Die Mauer ist in vier Farben gefärbt, wie auch viele Stupas und Häuser im Mustang Gebiet. Rot steht für Feuer, weiß für Frieden, schwarz für die Erde und gelb für das Leben auf der Erde, also die Menschen, Tiere und Pflanzen.
Erster Pass von insgesamt vieren am heutigen Tag
Um 09:00 Uhr starteten wir heute. Allerdings nicht mit der vollen Mannschaft. Micha, Werner, Joachim, unser Guide Hari und ich liefen zu Fuß nach Syanboche. Die anderen inkl. unserer Porter fuhren mit dem Jeep.
Nach einem kurzen Stück durch das Dorf ging es mäßig steil hinauf zum Pass "Charang-La" auf 3.870 Meter. Wir machten gerade Pause auf dem Pass, als unsere Mitreisenden mit dem Jeep an uns vorbei fuhren. Das erste Teilstück der Tour verlief gleich wie die Jeepstrecke. Dann änderte sich unser Weg.
Die längste Manni-Wall in Mustang
Nach dem Pass ging es ein langes Stück bergab nach "Ghami". Das Dorf Ghami lag sogar ein paar Meter tiefer als Charang von wo wir starteten. Oh je, und unser höchster Pass wird heute auf knapp über 4.000 Meter Höhe liegen. Aber so weit waren wir ja noch gar nicht.
Kurz vor Ghami bestaunten wir noch die längste Mani-Wall in Mustang. Sie ist ca. 245 Meter lang und wurde im 8. Jahrhundert erbaut.
Bitte Pause
Nach Ghami sollte es sehr lange steil bergauf gehen. Daher legten wir noch eine kurze Mittagspause ein und aßen eine leckere Nudelsuppe in einem traumhaft schönen Garten einer Lodge.
Wir genossen die wärmende Sonne und das leuchten der Blumen. Einige andere Trekker hat es auch hier her verschlagen. Bisher hatten wir auf unseren Etappen so gut wie keine anderen Wanderer zu Gesicht bekommen. Lediglich in den Lodges waren vereinzelt auch mal andere Touristen da.
Pass Nummer zwei und drei
Frisch gestärkt liefen wir ca. 1,5 Stunden hinauf zum Pass "Ghami-La" auf 3.520 Meter höhe. Den gleichen Weg sind wir ein paar Tage zuvor herunter gekommen. Mir war noch gut in Erinnerung, dass das letzte Stück zum Pass sehr steil war und meine Erinnerung trügte leider nicht. Etwas außer Atem kamen wir oben an.
Ein kleines Stück ging es bergab und dann auf über 4.000 Meter hinauf zum "Ny-La" Pass. Was dann folgte, war mehr als dämlich...
Dickkopfmodus angeschalten
Auf den Ny-La Pass lief ich außerhalb der Sichtweite der anderen. Bei anstrengenden Touren finde ich es immer einfacher in meinem eigenen Tempo zu laufen. Das wäre auch kein Problem gewesen, wenn ich auf dem Pass auf die anderen gewartet hätte. Stattdessen war mir der Wind auf dem Pass viel zu kalt und ich hatte ehrlich gesagt keine Lust zu frieren. Außerdem war ich mir sicher den weiteren Weg zu kennen, schließlich waren wir vor ein paar Tagen auch schon auf dem Ny-La Pass gestanden.
So beschloss ich also nicht zu warten und weiter zu gehen.
Klar, ich bin auf dem richtigen Weg
Nach dem Pass ging es steil bergab. In der Ferne erkannte ich ein paar Häuser und dachte diese wären das Ziel. Der Weg auf dem ich lief, kam mir auch sehr bekannt vor. Etwas unsicher lief ich weiter. Ich blieb immer wieder stehen und blickte zurück. Leider sah ich niemanden mehr. Komisch, dachte ich, denn den Pass runter hätte ich die anderen eigentlich sehen müssen. Selbst mit meinem kleinen Fernglas, das ich dabei hatte, erkannte ich niemanden.
Meine Unsicherheit wuchs...
Mittlerweile war ich mir absolut unsicher, ob ich auf dem richtigen Weg war. So langsam aber sicher bekam ich auch etwas Angst. Was soll ich denn machen, wenn ich komplett falsch gelaufen bin, fragte ich mich. Micha konnte ich nicht erreichen, ich hatte kein Handyempfang. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Ich fühlte mich auf einmal alleine und verloren.
Etwas entfernt erkannte ich Stromleitungen. Ich rannte zu diesen und dachte, denen folge ich jetzt einfach. Irgendwann muss ja dann ein Dorf kommen, dachte ich. Dort kann ich dann zumindest nach dem Weg fragen.
Der Schock ist groß
Auf einmal erkannte ich drei Häuser und freute mich. Ich wusste, Syanboche bestand nur aus wenigen Häuser und ich dachte ich wäre am Ziel. Als ich vor den Häusern stand, war der Schreck groß - es waren die falschen Häuser. Ach du Sch... dachte ich, ich bin komplett falsch und weiß nicht mehr wo ich bin.
Ich sah eine alte Frau vor dem Haus und sprach sie an. Natürlich sprach sie weder Deutsch noch Englisch. Ich sagte ihr "Syanboche", zuckte mit den Schultern und zeigte mit dem Finger in alle möglichen Richtungen. Erst sagte sie gar nichts und ich dachte schon, sie versteht den Dorfnamen nicht oder ich spreche ihn falsch aus. Dann zeigte sie auf einen Berg, der etwas entfernt von mir lag und deutete mit ihrer Hand an, das ich da rauf müsste, dann wieder runter und dann wäre ich da - zumindest verstand ich es so.
Oh Gott, mir wurde ganz anders. Jetzt nochmals auf einen Berg hoch!?!? Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, ich hatte den falschen Weg gewählt. Was hatte ich also für Optionen? Einfach sitzen bleiben und warten, schied aus. Meiner Meinung nach hätten mich die anderen nie gefunden - ich hätte ja überall sein können. Die andere Möglichkeit war, der Frau zu glauben und querfeldein auf diesen Berg zuzusteuern und das in einem hohen Tempo. Ich wollte nicht, das mich die anderen suchen und somit noch mehr Chaos entstehen würde. Also musste ich mich beeilen und rannte los.
I bring you back
Die Frau konnte mir leider nicht sagen, wie weit Syanboche noch entfernt war. Auch wusste ich nicht, wie lange ich brauchen würde um auf den Weg der anderen zu stoßen. Daher rannte ich einfach auf direktem Weg zum Fuße des Berges, querfeldein über Sand, Steine, kleinere Büsche und querte immer wieder verschiedenen Jeep-Strecken.
Die Sonne war schon am unter gehen und ich hatte solche Angst. Auf einmal fiel mir ein, das wir heute vier Pässe überqueren mussten. Ich war aber erst über drei gekommen. Vermutlich hatte die alte Frau also Recht. Ich rannte und rannte und rannte. Plötzlich sah ich nicht weit vor mir ein Mädchen. Ich lief zu ihr und sprach sie etwas außer Atem an. Sie konnte ein bisschen Englisch, was für ein Glück. Ich erklärte ihr meine Situation und auf einmal musste ich losheulen. Sie war so süß, nahm mich in den Arm und tröstete mich - "i bring you back, no Problem, no Problem..." sagte sie immer wieder.
Glück im Unglück
Ihr Name war Karmalhamo und sie war 19 Jahre alt. Ihr Englisch war nicht sehr gut, meines aber auch nicht. Trotzdem verstanden wir uns sehr gut. Sie sagte mir, dass ich tatsächlich über diesen Berg muss und dass ich noch ca. 1,5 Stunden nach Syanboche unterwegs wäre. Eine Jeep-Strecke würde es auch geben, diese wäre aber länger und ich würde in die Dunkelheit kommen. Sie meinte, es würde bald ein Jeep hier vorbei fahren und ich solle mit diesem nach Syanboche fahren. Das wäre natürlich praktisch gewesen, aber ich wusste, dass Micha sich Sorgen um mich macht und mich am ehesten auf der Trekking-Strecke suchen würde. Sie bot mir sogar an bei ihr zu schlafen, wenn wir meine Gruppe nicht finden würden. Das fand ich natürlich total nett, aber ich wollte die Sorge Micha nicht antun.
Karmalhamo fragte mich nach der Handy-Nummer meines Guides. Na toll, die hatte ich nicht. Das nächste mal wird mir das auch eine Lehre sein und ich werde mir die Nummer aufschreiben. Sie sagte, dass sie ihre Mama anrufen würde, die dort hinten ein Haus hat. Die Mama solle dann Ausschau nach den vier Männern aus meiner Gruppe halten und sie stoppen. Witzig dachte ich, das war dann wohl die alte Frau, bei der ich vorbei kam (andere Häuser und Menschen gab es ja nicht).
Ich sagte ihr, das sie das nicht tun brauche, da es der falsche Weg sei. Meine Gruppe würde definitiv nicht dort vorbei kommen, sondern über den Pass laufen. Sie sagte kein Problem, dann würde sie ihre Oma anrufen, die am Fuße des Berges wohnt. Das tat sie dann auch.
Krokodilstränen
Sie lief mit mir in zügigem Tempo quer durch die Pampa. Ich rechnete mir einen ungefähren Vorsprung von 45 Minuten aus. Wir könnten es also schaffen, meine Gruppe zu erreichen, wenn wir uns weiterhin beeilten.
Wir unterhielten uns den Weg über. Karmalhamo sagte mir, dass sie sich in Kathmandu auch schon mal verirrt hätte und mich verstehen würde, dass ich Angst habe. Ihr bzw. das Haus ihrer Mutter sei vom Erdbeben eingestürzt. Daneben hätten sie jetzt ein kleineres Haus aufgebaut.
Wir erkannten die Pass-Straße und beschleunigten das Tempo. Und wer steht da und winkt - Micha :-)
Oh man, das gibt es doch nicht!!! Wir kamen zeitgleich mit meiner Gruppe auf der Pass-Straße an. Micha wartete gerade erst eine Minute und die anderen drei liefen erst kurz nach mir ein. Ich war sowas von erleichtert, umarmte Micha und verdrückte ein paar Tränchen.
Micha stand genau vor dem Haus von Karmalhamos Oma. Die Enkel riefen Micha hinterher "Wait, lady!". Micha verstand es nicht sofort, wartete dann aber doch, schaute ins Tal und erkannte mich. Die Enkel lachten und sagten zu ihm "Why you lost your wife?". Naja, ich sag mal wegen meines Dickkopfs und meiner Ungeduld...
Unglaublich Dankbar
Ich hatte echt Glück im Unglück und mir war es eine Lehre.
Gleichzeitig war ich überwältigt von der Hilfsbereitschaft. Ich wollte Karmalhamo etwas schenken, hatte in meinem Tagesrucksack aber nichts dabei. Lediglich 20€ fand ich, der Rest war immer im großen Rucksack. Ich gab ihr das Geld, das sie natürlich nicht annehmen wollte. Ich sagte ihr, dann soll sie es ihrer Oma oder Mutter für das eingestürzte Haus geben. Wiederwillig nahm sie es dann an. Wir umarmten und verabschiedeten uns. Ich war ihr so unendlich dankbar.
Ankunft in Synaboche
Die anderen drei aus meiner Gruppe merkten gar nicht, das ich mich verirrt hatte. Micha war es aber ziemlich schnell klar und er machte sich auch schon seit einer Weile große Sorgen, sagte er mir. Er machte mir keine Vorwürfe, obwohl ich wusste, das er sich ärgerte (zurecht auch). Er spürte aber, das ich so sehr verängstigt war und meine Lehre selber aus dem ganzen gezogen hatte - das stimmte auch. Ich war ihm dankbar, das er keine große Sache daraus gemacht hat und wir einfach gemeinsam weiter liefen.
Wir mussten hoch zum Pass "Shangmocheny-La" auf 3.850 Meter und danach bergab nach Syanboche. Da die Sonne schon hinter den Bergen war, war es bitter kalt. Nach 8 Stunden kamen wir dann endlich an. Die Lodge war leider nicht beheizt und so ging ich dann nach dem Abendessen gleich ins Bett. Ich war sehr, sehr müde und schlief gleich ein.
Trekkingverlauf:
Von Charang nach Syanboche
Strecke: ca. 21,8 km
Aufstieg: ca. 1.190 m
Abstieg: ca. 990 m
max. Höhe: 4.070 m
min. Höhe: 3.487 m
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Tobi (Mittwoch, 29 März 2017 21:14)
oh mein Gott, das ist eine echt krasse Geschichte. Du bist aber auch hart im Nehmen!
Joe (Mittwoch, 29 März 2017 21:39)
Hey Myri, Navigationsgenie �
Das hätte mir natürlich auch passieren können. Herzerweichend wie dir geholfen wurde. Das ist schön.
45 Minuten Vorsprung... Bist du gerannt, oder die anderen geschlichen? �
Shiba Hari Rijal (Donnerstag, 30 März 2017 07:52)
Namaste, Miner Name ist shiba . ich habe 7 jahre lang im austria gelebt aber sites 6 jahre ich habe trekking agency in Nepal kathmandu. ich spreche deutsch and kann bisal schreiben :-)
Durch moner firma ich habe local guide for mustang, Everest,Manaslu trekking und habe ich Biking tour auch.
LG SHIBA
Myri (Freitag, 31 März 2017 18:29)
Hi Tobi,
naja, mir blieb auch nichts anderes übrig als weiter zu laufen ;-)
Myri (Freitag, 31 März 2017 18:36)
Hi Joe,
haha, wir sind ja beide so Navigationsgenies ;-)
Aber angekommen sind wir bisher immer :-)
Ich war etwas euphorisch beim bergab laufen. Mein Knie hat so gut gehalten (was ja leider nicht selbstverständlich ist). Da war ich dann schon recht schnell. Als so langsam die Zweifel kamen, das ich falsch gelaufen war, bin ich dann ins rennen über gegangen.
Myri (Freitag, 31 März 2017 18:37)
Namaste Shiba,
vielen Dank für deine Information über deine Agentur. Du lebst wirklich in einem sehr, sehr schönen Land. Ich wünsche dir mit deiner Agentur weiterhin viel Erfolg.
LG Myri