sollte | hätte | könnte | würde...
Manchmal geht der Plan auf und manchmal eben nicht. Manchmal nimmt man das ziemlich locker und manchmal ärgert es einen tagelang noch.
Aus ein paar ausgiebigen Hochtouren-Tagen wurde letztlich nur die Besteigung des Breithorns. Das fand aber bei bestem Wetter statt und zudem stand einer aus unserer Gruppe zum ersten Mal auf einem 4.000-er, was die Tour natürlich auch zu einer besonderen machte.
Und zugegeben, auch wenn wir nur auf einem Berg standen und der weitere gecancelt wurde, war die Aussicht auf diese grandiose Landschaft, auch vom Breithorn einfach der Hammer.
Bissle ein teures Vergnügen
Die ziemlich lange Autofahrt nach Zermatt lief erstaunlich gut. Zu neunt passten wir alle in einen VW-Bus und so fuhren wir relativ bequem (ich musste nicht fahren, hihi) in die Schweiz.
Da Zermatt autofrei ist, mussten wir in Täsch unser Auto abstellen und mit dem Shuttle-Zug nach Zermatt rein fahren. Das klappte recht unproblematisch, der Zug fährt im 20-Minuten Takt. Günstig ist allerdings was anderes - für einen Tag parken ist man ca. 15 CHF los und das Hin- und Rückfahrticket mit dem Shuttle kostet nochmals ca. 16 CHF. Schweiz halt, das weiß man aber.
Das Bergdorf Zermatt
Top motiviert liefen wir durch Zermatt in Richtung Bergbahnstation. Diese befindet sich am anderen Ortsende. Wir bekamen die einmalige Gelegenheit, uns in einem "Bergdorf" mit unserer Hochtourenausrüstung zum ersten Mal völlig fremd vorzukommen.
Mit unseren schwere Bergstiefeln an den Füßen, unserem Tourenrucksack mit Eispickel und Steigeisen behangen auf dem Rücken und etwas derben Outdoorklamotten am Leib, stachen wir von den doch etwas "schickimicki-wirkenden" Touristen ziemlich hervor. Ich dachte mir noch so: wie wird das erst in vier Tagen sein, wenn wir verschwitzt und ungeduscht zurück kommen ;-)
Das Matterhorn - Wahrzeichen der Schweiz
Mit der Gondel fuhren wir bis zur Station Schwarzsee. Natürlich hätten wir diesen Weg auch laufen können. Durch unsere weite Anreise war die Zeit aber schon ziemlich fortgeschritten und wir wären nicht rechtzeitig auf der Gandegghütte angekommen.
Ich stieg aus der Gondel und bämmm, da stand es vor mir - das Matterhorn. So wahnsinnig markant ragt es einfach aus dem Nichts heraus nach oben. Die umliegenden Berge scheinen auf einmal gar nicht mehr da zu sein, so stark zieht es den Blick auf sich. Gebannt standen wir alle erst mal eine Weile da, genossen den Ausblick und schossen unzählige Fotos.
Von 0 auf 100 - erste Hochtour dieses Jahr
Zur Gandegghütte führen ab dem Schwarzsee zwei Wege. Wir entschieden uns für den ca. 20 Minuten längeren Gletschererlebnisweg.
Nach unserer mehrmonatigen Umbauphase Zuhause, war diese Tour Ende Juni die erste in 2018 für Micha und mich. Gleich eine Hochtour und gleich einen 4.000-er - ob das so eine gute Idee war? Wie immer spürte ich die ersten paar Meter bergauf gewaltig in den Beinen. Das wird sich vermutlich nie ändern, egal wie fit ich mich fühle, dachte ich mir. Ein paar 100 Meter zum warm laufen und wohl fühlen, brauchen meine alten Knochen wohl immer ;-)
"Darf ich die mitnehmen?"
Unterwegs hatte ich neue Freunde gefunden und konnte mich nur schweren Herzens von ihnen trennen - die Schwarznasenschafe (ja, die heißen wirklich so). Die waren so unglaublich weich und süß und sehr zutraulich - so richtige kleine Knuddelchen.
Als wir die erste Anhöhe geschafft hatten, breitete sich vor uns das ehemalige Gletscherbecken aus und gab den perfekten Blick auf das Matterhorn frei. Wir standen am Fuße dieses gewaltigen Berges, der nicht umsonst als Wahrzeichen der Schweiz gilt.
Für viele der Schicksalsberg
Ich war mir auf einmal unsicher, ob nicht das Matterhorn meinen bisherigen Lieblingsberg, die Ama-Dablam in Nepal, toppen könnte. Nach näheren Überlegungen, bleibe ich aber doch bei der Ama-Dablam (nicht zuletzt, weil sie einen Frauen-Namen trägt).
Der große Andrang am Matterhorn gefällt mir nicht. Bis zu 3.000 Bergsteiger versuchen pro Saison das Matterhorn zu erklimmen. Das sind an guten Tagen über 100 Personen!!! Da kann man sich vorstellen, wie oft der Helikopter kommen muss, um den ein oder anderen zu retten.
Ich habe mal nachgeschaut, weil es mich interessiert hat:
- ca. 80 Rettungseinsätze mit dem Heli pro Saison
- ca. 8-10 tödlich Verunglückte pro Jahr
- an keinem anderen Berg in der Schweiz sterben so viele Menschen (seit der Erstbesteigung vor 150 Jahren waren es über 500 Menschen)
Wunderschöne Landschaft mit unschönen "Schandflecken"
Über Gletscherschliff ging es dann weiter Richtung Gandegghütte. Wir mussten über einige Altschneefelder stapfen und so langsam zog auch der Himmel zu und es wurde kalt.
Landschaftlich ist es hier oben wirklich ein Traum, wären da nicht immer wieder diese Bergbahnen, die den Blick trüben. Von weitem erblickten wir die Station "Trockener Steg", die unschön in der Landschaft steht. Eine urige Berghütte, wie die Gandegghütte beschrieben wird, konnte ich mir hier in dieser touristisch sehr überlaufenen Gegend nicht vorstellen.
Die Gandegghütte
Ich wurde aber eines Besseren belehrt. Wir erblickten die Gandegghütte, einsam gelegen, auf glatten Felsplatten, umgeben vom ewigen Eis.
Die Hütte ist im Inneren total liebevoll eingerichtet (schade, dass ich kein Foto gemacht habe). Auf den Holzbänken liegen Felle und das Feuer knistert im Ofen. Mit 45 Lagerplätzen zählt sie zu den kleineren Hütten und ich mag das total. Das Essen und vor allem der Schokokuchen zum Nachtisch waren wirklich mega lecker.
Was aber alles toppte, war die überaus liebe Hüttenwirtin, welche mir eine kostenlose Bettflasche machte und mir somit eine Nacht mit kalten Füßen ersparte.
Auf geht's auf die Piste
Am nächsten Morgen ging es dann um 5:30 Uhr los Richtung Breithorn. Ich wollte ja früher los, aber mit 8 Männern war das mit dem Durchsetzen nicht so einfach für mich ;-)
In der Dämmerung ging es steil die Piste Richtung "Klein Matterhorn" empor. Unsere ganze Hochtourenausrüstung hatten wir schon an, so mussten wir sie zumindest nicht auf dem Rücken tragen. So richtig schön ist dieser Pistenweg allerdings nicht. Im Nachhinein hätte man sich diesen Weg echt sparen können, indem man die erste Seilbahn zum "Klein Matterhorn" genommen hätte und von dort zum Breithorn aufgebrochen wäre.
Natur pur - irgendwie nicht so richtig
Anstrengend war dieser Pistenweg trotzdem - der Weg war steil und der nötige Spirit hat irgendwie gefehlt. Das Matterhorn, das wunderschön von der aufgehenden Sonne angestrahlt wurde, machte die Sache auch nicht besser. Ich war verärgert, dass ich nie eine Fotoperspektive fand, in der mal kein Schlepplift vor dem Berg stand.
Aber immerhin waren wir mit unseren zwei Seilschaften alleine unterwegs. Eine solche Ruhe würde man sich andernorts manchmal wünschen - und sie bringt so manche Vorteile - ich konnte in Ruhe aufs Klo gehen...hahahaha.
So langsam kann ich's genießen
Kurz unterhalb des Klein Matterhorn legten wir unsere erste Frühstückspause ein. Die Sonne kam heraus und es wurde angenehm warm. Mittlerweile waren wir so hoch oben, dass die Skilifte kaum noch zu erkennen waren und das war gut so.
Das Bergpanorama war nun genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte - einfach traumhaft schön. Die Sicht war sowas von klar und ich war nur noch am Staunen und Genießen. Auf einer Seite schwebte ein Wolkenmeer unter uns und kleine Bergspitzen ragten heraus.
Wir nähern uns dem Breithorn
Der Aufstieg auf das Breithorn zog sich dann doch länger als gedacht. So schön die Sonne auch war, so warm, fast schon zu warm, war sie auch. Der Schnee wurde sulzig und machte das Vorankommen anstrengend. Vielleicht machte sich auch langsam die Höhe bei einigen bemerkbar, da wir deutlich langsamer wurden. Aber eine Seilschaft ist nun mal eine Seilschaft. Da heißt es auch manchmal Geduld bewahren, zurückstecken und sich dem Tempo anpassen.
Kurz vor dem Gipfelgrat warteten wir auf unsere andere Gruppe, die gerade vom Gipfel zurück kam. Wir checkten nochmals die Lage ab und fragten, wie der Grat so beschaffen war: "nichts Schwieriges", kam als Antwort.
Auf dem Gipfel des 4.159 Meter hohen Breithorns
Naja, was soll ich sagen. Der Grat war ok, aber doch ausgesetzter, als ich erwartet hatte. Um meine Kamera raus zu holen war es mir zu unsicher - links und rechts ging es schon einige Meter steil nach unten und am Grat selbst musste man auch einen Schritt vor den anderen setzen.
Konzentriert gingen wir weiter. Das Gegacker unserer Seilschaft setzte erst am Gipfel des Breithorn wieder ein.
Die Aussicht war ein Traum. Eingerahmt aus einem Meer aus Wolken und Bergen standen wir bei strahlendem Sonnenschein auf dem Rücken des Breithorn. Vor uns ragte das markante Matterhorn empor und wirkte auf einmal gar nicht mehr so hoch.
Rufe aus den Wolken
Für ein ausgiebiges Gipfel-Vesper blieb keine Zeit. Wir hatten beim Aufstieg schon so viel Zeit verloren und hatten noch einen langen Weg über den Gletscher zum "Rifugio Guide della Val d'Ayas" vor uns.
Auf dem gleichen Weg ging es wieder hinunter zum Fuße des Breithorns. Das Vorankommen wurde immer mühsamer - teilweise knietief sanken wir in den von der Sonne aufgeweichten Firn ein. Unsere erste Seilschaft war schon etwas weiter. Wir sahen sie allerdings nicht mehr, da sie in in die Wolken eingetaucht waren. "Sei mal still", sagte einer aus unserer Gruppe, "ich höre da was". Und tatsächlich, auch ich konnte Rufe erkennen.
Planänderung
Im ersten Moment wurde mir etwas bange - es wird doch hoffentlich nichts passiert sein. Zum Glück vernahmen wir dann alle einheitlich, dass wir nicht folgen und zurück zur Seilbahnstation "Klein Matterhorn" laufen sollten. Später erfuhren wir dann, dass eine riesige Gletscherspalte den Weg versperrte. Die Wegfindung im Wolkennebel gestaltete sich schwierig und aufgrund der fortgeschrittenen Zeit, hatten wir keinen Puffer mehr für irgendwelche längeren Such-Aktionen.
Kurz vor der Seilbahnstation waren wir dann wieder mit unserer anderen Gruppe vereint. Letztlich ging es also nicht zur Ayas Hütte und am nächsten Tag auf den Pollux, wie es eigentlich geplant war.
Was wäre wenn...?
Natürlich war ich etwas gefrustet und einige andere auch. Man nimmt sich etwas vor, fährt einige Stunden in die Schweiz um "nur" einen Berg zu besteigen. Wären wir früher los gelaufen, wären wir schneller gewesen, wäre das Wetter nicht zu heiß gewesen...was wäre wenn?
Klar, stellt man sich in diesem Moment all diese Fragen und ärgert sich auch ein wenig darüber. Aber letztlich bringt es nichts und ändert auch nichts mehr an der Tatsache.
Die Berge lehren uns Geduld ;-)
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Mario (Samstag, 25 November 2023 15:20)
Servus,
Gibt es Gletscherspalten zu überwinden auf den Weg aufs Breithorn?
Ich würde mich freuen auf eine Antwort
LG
Myriam (Montag, 27 November 2023 09:11)
Hallo Mario,
bei uns waren damals tatsächlich Gletscherspalten vorhanden. Diese waren allerdings schlecht sichtbar, da sie zugeschneit waren. Der Firn war sehr sulzig, da es an unserem Tourentag sehr heiß war und wir ziemlich spät dran waren. Daher ist der ein oder andere immer mal wieder etwas mit dem Fuß eingebrochen.
Die Lage ist jedoch jedes Jahr eine andere. Schau am besten mal in einem Tourenportal (beispielsweise alpenvereinaktiv.de), ob dort jemand aktuelle Bedingungen eingestellt hat.
Viele Grüße
Myriam