Von der Nürnberger Hütte auf den "Wilden Freiger" und weiter zur Müllerhütte
An der Grenze zwischen Nord- und Südtirol steht der 3.418 Meter hohe "Wilde Freiger" . Von der Nürnberger Hütte aus gelangt man mittlerweile gletscherfrei auf dessen Spitze. Oben angekommen, weitet sich der Blick über den Übeltalferner - dem größten Gletscher Südtirols und den Stubaier Alpen.
Der Name des Gletschers kommt nicht von ungefähr. Die bedrohlich wirkenden Felswände, welche das Gletscherbecken einrahmen, waren für die Namesgebung verantwortlich.
Beim Abstieg zur Müllerhütte hatten wir mit diesem Gletscher auch ein bisschen zu kämpfen.
Das Warten zahlte sich aus
Eigentlich sollte es nach dem Aufstieg zur Sulzenauhütte am nächsten Tag auf den Wilden Freiger und über den Gletscher weiter zum Becherhaus gehen. Aufgrund eines Wetterumschwungs und eindringlichen Warnungen des Hüttenwirts, gingen wir auf weniger schweren Wegen zur Nürnberger Hütte. Nach einer leckeren Verköstigung und einer entspannten Nacht, waren wir am nächsten Tag top motiviert.
Und siehe da, das Wetter wurde besser und unserer geplanten Tour stand nichts mehr im Wege.
Geht es euch auch so?
"Du machst immer den gleichen Fehler", hörte ich Micha, meine bessere Hälfte sagen. "Immer läufst du viel zu warm eingepackt los und wunderst dich dann, das du gleich ins schwitzen kommst". Ich werde es wohl nie lernen. Liegt wohl daran, dass ich eine echte Frostbeule bin. Ich hasse es frierend vor der Hütte zu stehen, bibbernd zu warten bis es endlich los geht und dann völlig verkrampft vor Kälte die ersten Meter zurückzulegen. Dann doch lieber warm eingepackt starten und nach 50 Metern die Gruppe anhalten "hey, ich muss mich mal kurz ausziehen" ;-)
Geht euch das auch so? Ist das etwa ein Frauen-Phänomen? In dem Kommentaren unten könnt ihr es mich gerne wissen lassen.
Zum staunen und genießen
Bald hatten wir die ersten Höhenmeter geschafft. Ein Meer aus Wolken, lichtdurchflutet von der Sonne umgab uns. Fast minütlich wechselte das Wolkenbild und gab immer wieder andere Teile der Berge zum Anblick frei. Eine wahnsinnsschöne Szenerie war das, die wir in aller Ruhe zu Dritt genießen konnten. Ich liebe die Fotos, die an diesem Tag entstanden sind. Viel schöner als ein blauer, immer gleich bleibender Himmel, dachte ich mir.
Auf der Seescharte angekommen, hatten wir ein gemütliches Stück vor uns. Doch erst musste die Landschaft ausgiebig bewundert werden - glatt geschliffene Felsen, dahinter markante Felszacken und der tiefblaue Grünausee
Ewiges Eis - leider auch vergänglich
Wir merkten relativ schnell, dass Heiko nicht so ein Trödler war wie wir. Sein Lauftempo war zügig, Pausen gab es nicht viele und wenn, dann nur kurz um mal an der Flasche zu nippen. Wir versuchten uns ein Stück weit anzupassen und vermutlich haben wir einen ganz guten Mittelweg gefunden, denn jeder war nach Tour rundum zufrieden.
Der Weg wurde steiler und anstrengender. Über Blockwerk ging es immer weiter nach oben. Links kam die Gletscherzunge des Grüblferners zum Vorschein. Viel scheint da nicht mehr vom einst ewigen Eis übrig geblieben zu sein. Etwas kläglich und trostlos wirkte der Gletscher auf mich.
Unwissenheit schützt vor Gefahr nicht
Zwischen Grübl- und Grünauferner auf der anderen Seite, erstreckt sich ein wildes Felsband auf dessen Grat der weitere Weg offiziell verläuft. Ich schreibe extra "offiziell", da wir einige Fußspuren im Schnee gesehen hatten, die nicht auf dem offiziellen Weg im Fels verliefen. Jetzt könnte man denken: warum, ist doch nichts dabei im Schnee zu laufen?
Der Schnee befand sich nur auf dem Gletscher, der nicht spaltenfrei ist. Da einfach mal ohne Ausrüstung drüber zu spazieren...naja...
Ich unterstelle jetzt einfach mal Unwissenheit.
Schon auf der Hütte hatten wir am Vorabend Gespräche von anderen Wanderern mitverfolgt, die ebenfalls auf den Wilden Freiger wollten. Mit ihrem Rother Wanderführer "Trekking im Stubai" in der Hand, meinten sie: "hier steht für Einsteiger".
Was ist ein Hochtourenneuling?
Technisch gesehen ist der Wilde Freiger auch überhaupt nicht schwierig zu erklimmen. Umsonst hat er aber sicherlich nicht die Routenfarbe "schwarz" im Rother Wanderführer. "Ernsthafte Gletschertouren sollen in diesem Wanderführer eigentlich nicht vorkommen...", steht es geschrieben.
Und weiter: "Beim Wilden Freiger wagte der Verfasser allerdings einen Kompromiss einzugehen...es scheint zu Zeiten ein seilfreier Aufstieg durchaus verantwortbar."
Für Hochtourenneulinge stellt der Wilde Freiger wörtlich ein idealer Gipfel dar, laut Rother.
Da muss ich Rother recht geben, es wird an sich auf alles hingewiesen, wenn man es denn richtig liest bzw. versteht. Ab wann wird aus einem Wanderer ein Hochtourenneuling? Mhhhh, gute Frage und ich kann euch natürlich nur meine persönliche Meinung dazu sagen. Ich hatte mich damals als Hochtourenneuling gesehen, als ich meinen ersten Gletscherkurs beim DAV absolviert hatte und bei 2-3 Hochtouren dabei war. Über einen Gletscher seilfrei zu laufen, ohne einen erfahrenen Hochtourengänger dabei gehabt zu haben, hätte ich mich damals nicht getraut.
Auf dem Signalgipfel
Aber wie gesagt, bleibt man bei dieser Tour auf dem vorgesehenen Weg, kommt man mit dem Gletscher nicht in Berührung. Stahlseile helfen am Felsband für das gute Sicherheitsgefühl und wer trittsicher und schwindelfrei ist, sollte hier keine Problem haben. Uns machte es auf jeden Fall Spaß, im Fels herum zu krakseln.
Wieder wurde es steiler. Ein rotes Seil half, uns über ein paar glatte Platten hinauf zu ziehen. Nach kleineren Schneefeldern und viel Geröll, standen wir auf dem 3.392 Meter hohen Signalgipfel. So wirklich einladend ist dieser Gipfel nicht. Wenn auf der Karte nicht "Gipfel" eingezeichnet gewesen wäre, hätte ich ihn auch nicht als einen angesehen. Jetzt kommt das "aber"...
Die Müllerhütte ist in Sicht
ABER, die Aussicht war mega schön. Teile des Übltalferners, dem größten Gletscher des Stubais und Südtirols lagen vor uns. Das riesen Gletscherbecken breitete sich vor uns aus. Mitten drin liegt die Müllerhütte auf einem markanten Felsen und stellte unser Tourenziel der heutigen Etappe dar. Doch vorher wollten wir natürlich noch auf den Wilden Freiger, der nur ein paar Meter höher liegt als der Signalgipfel.
Fix ging es über den Grat, ein bisschen krakseln, schon steht man oben und dieses mal hatte ich dann auch richtiges Gipfelfeeling.
Auf dem "Wilden Freiger" bekommen wir Gesellschaft
Die obligatorische Gipfelrast musste natürlich sein. Wir lagen gut in der Zeit und mein Magen knurrte so langsam. Nach ein paar Bissen meinte ich dann: "Hey, die kenne ich doch! Sind das nicht Joe und Guido da hinten?" So langsam erkennt man am Laufstil seine Bergkameraden ;-)
Sie waren es wirklich. Zum Hüttenabschluss kamen sie auf die Müllerhütte und unternahmen heute von dort aus eine Tour auf unseren Gipfel. Gemeinsam wurde also gevespert und geschwatzt, bis es dann zum Abstieg ging.
Hilfreich war dann noch die Info von ihnen, dass wir nicht den rechten Felsgrat hinunter absteigen sollten. Dieser Weg sei wegen Steinschlag gesperrt. Bringt natürlich nichts, wenn diese Info unten auf der Hütte steht und sonst nirgendwo, dachte ich mir noch, außer man trifft zufällig seine zwei Kollegen hier oben.
Falsche Entscheidung
Über den linken Grat stiegen wir dann leicht kletternd hinab Richtung Becherhaus. Das Wetter zog zu und es wurde kalt....brrrrr. Wir sind ja bald da, waren meine Gedanken, die im Nachhinein dann nicht ganz der Realität entsprachen.
Auf dem Übergang auf den Gletscher dann die spannende Frage: "welcher Weg ist der bessere?" Auch da ist man hinterher manchmal schlauer - der andere der beiden in die Karte eingezeichneten Wege wäre der bessere gewesen. Dieser "bessere" Weg ist unten im GPX-Track auch eingezeichnet.
Kein gutes Gefühl
Kaum waren Heiko und ich auf dem Gletscher, machte es hinter mir ein komisches Geräusch. Micha war mal kurz etwas in eine Spalte eingesackt. Nichts dramatisches, mulmig wird mir dann aber doch gleich jedes mal.
Ein paar Schritte später zog dichter Nebel auf und mir wurde mal wieder schlagartig bewusst, wie orientierungslos man sich auf dem Geltscher fühlen kann. Umgeben von Längsspalten, was die Sache überhaupt nicht besser machte und dem einzigen Peilpunkt, der Müllerhütte, der nicht mehr zu erkennen war, wuchs meine innerliche Unruhe.
Nicht gerade der beste Weg
Mit langsamen, prüfenden Schritten ging es über den Gletscher. Aufgrund unseres langsamen Tempos zog sich das ganz schön. Zum Glück erreichten wir ohne weitere Zwischenfälle den Windkolk unterhalb der Müllerhütte.
Geschafft, dachte ich. Wir sind von diesem unsicheren Stück Gletscher endlich unten und hatten auch wieder bessere Sicht. Aber ich hatte mich getäuscht. Über sehr steil abfallendes Blockwerk mussten wir abklettern. Die Steine waren total bröselig, da drunter auch noch Eis vom Gletscher lag. Bei jedem Schritt brachen Steine los und rutschten mit uns gemeinsam den Hang hinunter. Dazu kam noch, dass dieser Bereich sichtbar Steinschlag gefährdet war. Wir wollten, aber konnten einfach nicht schneller diesen Hang überwinden.
Herzerwärmende Begrüßung auf der Müllerhütte
Toi, toi, toi, es kam kein Steinregen und wir kamen ohne gebrochene Haxen unten an. Kurz auf dem Gletscher ums Eck und dann das letzte Stück im Fels zur Hütte hoch. Was dann kam, war der gemütliche Teil.
Auf der Sonnenterasse der Müllerhütte wurden wir vom Hüttenwirt persönlich mit Handschlag und selbstgemachtem Schnaps empfangen. Tolle Geste fand ich, auch wenn ich keinen Alkohol trinke. Die Jungs haben sich über mein zusätzliches Gläschen gefreut. Wir genossen noch die letzten Sonnenstrahlen, bevor es draußen zu kalt wurde.
Geheimtipp - Müllerhütte
Die Atmosphäre auf der Müllerhütte ist einfach eine ganz besonders tolle, was sicherlich an Heike und Lukas liegt, die mit ihrem ganzen Herzblut die Hütte führen.
Ein echter Geheimtipp ist der legendäre Hüttenabschluss, den ihr unbedingt mal miterleben solltet. Wären wir im Sonnenaufgang des nächsten Tages nicht schon wieder unterwegs gewesen, hätten wir sicherlich noch eine Weile länger mitgefeiert.
Ihr wollt die Tour nachlaufen? Hier findet ihr den GPX-Track dazu:
Seid ihr beim Tourenstart auch immer zu warm angezogen?
Schreibt mir gerne in den Kommentaren, wie es euch immer so ergeht.
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Joe (Sonntag, 27 Januar 2019 16:36)
Man nennt diese erste Ausziehpause auch Mulipause. Ich denke nicht, dass es ein Fehler ist, warm loszugehen. Deshalb hat man ja das Zwiebelprinzip erfunden. Mulipausen muss man einplanen ;-). Das gehört zum Geschäft.
Ich hab dich ja gleich von weitem erkannt. Das pinke Outfit ist halt unverwe
Michael (Mittwoch, 30 Januar 2019 23:40)
>>Dann doch lieber warm eingepackt starten und nach 50 Metern
>>die Gruppe anhalten "hey, ich muss mich mal kurz ausziehen" ;-)
nach meinen - statistisch natürlich nicht repräsentativen - Erfahrungen könnte das tatsächlich ein Frauen-Phänomen sein. Zumindest bei 100% der beiden Frauen unserer Wandergruppe tritt dieser Effekt exakt so auf.
Ich geh lieber so weg, dass mir beim Aufbruch kühl bis etwas kalt ist. Das hat sich dann nach spätestens 5 min. gelegt und ich erspare mir die erste Pause. Besonders schlimm ist es, wenn Stop 1 (Jacke aus) nach 5 min. passiert und Stop 2 (auch Jacke aus) dann nach weiteren 5 min.
Es scheint aber Teil eines breiteren - potentiell auch frauenspezifischen (?) - Phänomens zu sein: Stop & Rush!
Losrennen, erste Jacke ausziehen, weiter!, Nase putzen, weiter!, Wasser trinken, weiter!, Foto machen, weiter!, nächste Jacke ausziehen, weiter! Wasser lassen, weiter! wieder Wasser trinken,... bis zum Gipfel.
Dass die Wortfrequenz pro Höhenmeter beim dreifachen Wert unserer Rate liegt, liegt aber mit Sicherheit nur an der unbestritten besseren Kondition unserer Liebsten! Wenn wir könnten würden wir sicherlich auch mehr reden :-)
Vielen Dank für die tollen Berichte!
lg, Michael