Winterbegehung der Alpspitze über die Nordwand Ferrata
"Yeah - du bist dabei!"
Das waren die ersten Worte in der E-Mail von Bergzeit, die mich ordentlich aufwirbelten. Die ersten Sekunden war ich außer mir vor Freude und dann - tja und dann hatte ich ziemlich Bammel und zittrige Hände, bevor es überhaupt wirklich los ging - typisch Myri ;-)
Ich kann euch aber gleich vorweg verraten, es war eine megageile Tour und ein absolut unvergessliches Erlebnis für mich. Das lag zum einen an der Route selbst, einem super lieben Team, unseren tollen Bergführern und natürlich auch an der Tatsache, mit einem Profialpinisten wie Michi Wohlleben einen Tag lang unterwegs zu sein.
Jetzt erst mal von Anfang an
Ich hatte mich bei der offiziellen Ausschreibung von Bergzeit, PrimaLoft und Scarpa für das Alpincamp 2019 beworben. Dieses Event wird regelmäßig angeboten und jeder kann sich darauf bewerben. Wer Bergzeit nicht kennt - dies ist ein Anbieter von Bekleidung und Ausrüstung für den Outdoorbereich, der mittlerweile auch zahlreiche Touren und Reisen anbietet. Ich hatte wirklich nicht daran geglaubt, dass ich dort jemals ausgewählt werden würde. Aber es hatte tatsächlich mit drei anderen Teilnehmern zusammen geklappt.
Oben drauf gab es dann noch für alle neue Bergstiefel - den Phantom Tech von Scarpa. Was für ein geiler Gewinn!!!
Geplant war die Winterbesteigung des Jubiläumsgrat, einer Nacht im Biwak und der anschließenden Besteigung der Alpspitze.
Leider kam alles anders
Wie leider so oft, macht einem das Wetter in den Alpen einen Strich durch die Rechnung. Kurzfristig wurde die Tour umgeplant. Zu gefährlich waren die Verhältnisse am Jubiläumsgrat, aufgrund der starken Windböen und dem vielen Neuschnee. Aus der Zwei-Tages-Tour wurde dann nur noch ein Ein-Tages-Event. Ziel war es die Alpspitze über die Nordwand Ferrate zu besteigen.
Natürlich waren wir alle traurig darüber. Viele hatten sich speziell auf die Biwak-Nacht und einen tollen Sonnenuntergang und -aufgang in den Bergen gefreut. Ich hatte mich besonders auf den Jubiläumsgrat gefreut. Den wollte ich schon immer mal machen, war mir ohne Bergführer aber bisher zu unsicher.
Bissle aufgeregt
Ich reiste schon einen Tag früher an, um für die Tour gut erholt zu sein. Um 9 Uhr trafen wir uns an der Talstation der Alpspitzbahn. Nach und nach trafen alle Teilnehmer*innen ein. Meine Aufregung war nach dem kurzen Kennenlernen schnell verflogen - alle waren super gut drauf und ich fühlte mich gleich wohl. Es konnte also los gehen.
Auch Berühmtheiten wie Michi Wohlleben müssen am Ticketschalter anstehen. Eigentlich ein ganz normaler Typ, redete ich mir ein, um nicht wie ein hysterischer Teenie zu wirken, der zum ersten Mal auf sein Idol trifft ;-)
Unser Team
Oben angekommen sagte Michi: "Jetzt trinken wir erst mal ein Kaffee". Aha, geht also gemütlich los - so kenne ich das gar nicht. Auch mal schön, so gechillt zu starten.
Die Seilschaften wurden eingeteilt. Mein Team bestand aus Bergführer Markus, Bergzeit-Mitarbeiter Chris und meiner Person. Hach, ich wär natürlich auch gern beim Michi gewesen. Im Nachhinein war ich aber echt total glücklich über die Einteilung, denn wir waren ein super cooles Team und hatten sehr viel Spaß.
Ein Fotograf begleitete übrigens auch unseren Tag - Thomas, alias German Adventurer. Seine Fotos sind echt mega. Da lohnt sich wirklich mal der Blick auf seine Homepage.
Kann los gehen
Erste Gefahrenquelle stellte die Skipiste, bzw. deren Lift dar. Vor lauter Fotos knipsen und in der Weltgeschichte herum schauen, wäre ich fast vom Lift erschlagen worden. Danke Chris, fürs Retten - auf mein Team war Verlass ;-)
Wir passierten das Höllentor und zogen vor der steilen Rinne unsere Steigeisen an. Ausgestattet mit Pickel, Helm und Klettergurt stiegen wir hintereinander die Rinne empor. Der Weg war bereits gut gespurt. Teilweise recht tief waren die Tritte, was das nach oben drücken etwas anstrengend machte. Meine Erkältung, die mich die Woche davor ausgeknockt hatte, steckte mir noch etwas in den Knochen. Aber es lief gut, das Tempo war nicht zu schnell und kleine Verschnaufpausen gab es auch.
Prüfende Blicke
"Ich beobachte euch das erste Stück und entscheide dann, ob ich euch sichere", sagte Markus unser Bergführer von Alpinewelten. Eine Bandschlinge mit Karabiner hatten wir schon zur Selbstsicherung vorbereitet und auch Markus Seil war bereit. Er stufte uns wohl als sicher ein, denn wir liefen die ganze Tour über frei. Anfangs machte mich das etwas unsicher. Alle, die meinen Blog etwas verfolgen, wissen mittlerweile, dass ich oft zu Unsicherheit und Selbtunterschätzung tendiere. Aber es freute mich natürlich und machte mich ein klein wenig stolz, mich so "frei" bewegen zu dürfen.
Ein Gefühl von Sicherheit gaben die Stahlseile, an denen wir uns an einigen Stellen festhalten konnten. Zwar nur mit einer Hand, denn in der anderen hatten wir ja den Pickel. Kamen längere Abschnitte wo wir den Pickel nicht benötigten, teilte uns dies Markus mit und riet uns, den Pickel kurz zwischen Rucksack und Rücken zu stecken.
Wohlfühlfaktor im Team
Dann gab es auch einige Stellen, wo die Stahlseile unter der Schneedecke vergraben waren. Oft waren es genau die Stellen, wo es doch recht abschüssig nach unten ging. Ein falscher Tritt oder Abrutschen konnte verheerende Folgen haben. Kopfsache, hier nicht die Konzentration und Nerven zu verlieren. Was für mich in solchen Situationen immer ganz entscheidend ist, ist ein Team in dem ich mich wohl fühle und auf das ich mich verlassen kann. Das hatte ich absolut.
Markus gab mir mit seinem Wissen, seiner ruhigen, gelassenen Art und seinen lobenden Worten die nötige Sicherheit. Und Chris war geduldig und ich konnte mit ihm lachen. Eine super Kombi.
Also zu lachen hatten wir genug
"Es ist euer Tag, genießt ihn und gebt Bescheid, wenn ihr was braucht", sagte Markus an diesem Tag immer wieder. Ach Mensch, ist das ein netter Bergführer. "Geht's von der Temperatur? Magst was trinken? Passt das Tempo?" So gut wurde ich noch nie umsorgt, da könnt ich mich glatt dran gewöhnen ;-)
Wir kamen super voran und trotzdem bliebt genug Zeit um ausgiebig Fotos zu schießen. "Mach mal bitte ein Fotos von uns". Gesagt getan und Markus zückte die Kamera.
"So und jetzt dreht euch mal zueinander hin". "Ne, nicht so eng, lasst mal Platz zwischen euch". Chris und ich waren etwas überfordert und lachten uns den Arsch ab. An unserer Model-Karriere müssen wir wohl noch etwas arbeiten :-P
Insta in the mountains
Die Windböen nahmen ordentlich zu und pfiffen uns stellenweise heftig um die Ohren. Ich lief schon von Anfang an mit der Kapuze über dem Helm, weil ich es echt hasse, starken Wind in die Ohren zu bekommen. Irgendwann fanden das auch die Herren der Schöpfung eine gute Idee.
"Wie seh ich aus?" fragte Markus und schaute in meine verspiegelte Sonnenbrille. "Für Insta muss ich ja gut aussehen", sagte er lachend.
Ist dieses Instagram also auch schon bei den Bergführern angekommen ;-)
Schwierige Bedingungen
Kurz unterhalb des Gipfels sollten wir dann doch unsere Bandschlinge an den Stahlseilen anbringen. "Hier ist Steinschlaggefahr", warnte Markus. Natürlich folgten wir seinen Anweisungen ohne zu zögern.
Ein paar Minuten später standen wir auf dem Gipfel. Der Wind blies übel und der Schnee pfitze uns ins Gesicht. Thomas, unser Fotograf, platzierte sich etwas unterhalb des Gipfels und schrie uns entgegen, dass wir uns am Kreuz fürs Foto aufstellen sollten. Wegen des Windes hörten wir so gut wie nichts. Mit den Händen wurden wir dann auf unsere Plätze dirigiert. Echt gar nicht so easy, bei diesen Bedingungen und der Schwierigkeit der Tour professionell Fotos zu machen, dachte ich mir. Er machte seine Sache aber wirklich gut und es kamen mega Fotos am Ende raus.
"Chilli-milli", wie Markus sagen würde
An einem windstillen und sonnigen Plätzle, etwas unterhalb des Gipfels auf der anderen Seite, legten wir eine kurze Pause ein. Kirstin und Michi von Seilschaft Nummer 1 saßen da schon gemütlich und vesperten. Im Hintergrund zog sich der schroffe Jubiläumsgrat entlang. Schon ein bissle schade, dass das nicht geklappt hat, raunte es in mir. Aber eigentlich war es gut so, wie es war. Wir konnten den Tag wirklich in vollen Zügen genießen, hatten keinen Zeitdruck und super viel Spaß. So gechillt wäre es auf dem Jubi-Grat sicherlich nicht zugegangen.
"Geh'n wir wieder runter, wird langsam kalt", meinte Michi. Aha, auch Profis wird es kalt ;-)
Lost one
Auf dem gleichen Weg ging es dann wieder nach unten. "Wo ist Thomas?". Suchend schauten wir uns nach unserem Fotografen um. Er war noch am Gipfel und schoss Fotos, während wir schon weiter liefen. War ihm nicht zu verübeln, bei dieser traumhaft schönen Aussicht. Ich glaube, viele von uns wären gerne noch eine Weile länger oben geblieben.
"An den steilen Stellen gehen wir rückwärts runter. Steckt den Pickel in den Schnee, dann könnt ihr den als Stütze nehmen". Markus ging vor und demonstrierte uns, wie wir richtig absteigen sollten. "Wenn du ans Seil magst, geb einfach Bescheid", sagte er.
Puhhhh, tatsächlich hab ich vor solchen Stellen immer ordentlich Respekt. Der Schnee war teilweise recht fluffig und ich hatte nicht so ein tolles Gefühl, ob meine Tritte halten würden. "Du machst das super", motivierte mich Markus und gab mir das fehlende Stück Selbstvertrauen.
Tausend Dank für diese coole Tour
Wieder unten angekommen, stürzten wir uns in den Rummel des Skibetriebs. Schnell waren wir uns einig, dass wir hier im Restaurant nichts essen würden. Viel zu voll war es uns. Wir stopften uns in die überfüllte Gondel und fuhren wieder runter ins Tal.
In der Gondel quasselten wir und dann: "Wo ist Walter?" Unser dritter Bergführer fehlte. Wir schauten uns in der Gondel um, aber Walter war nicht da.
Lachend schauten Chris, Markus und ich uns an und sagten: "Da waren wir wohl die einzige Seilschaft, die es vollständig, ohne jemanden zu verlieren, geschafft hat" ;-)
Endgültig verloren wir natürlich niemanden. Vollzählig verbrachten wir noch ein paar nette Stunden in einer Pizzeria, bevor es dann wieder nach Hause ging. Ein mega Erlebnis, das mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleibt.
WERBUNG|ANZEIGE:
An dieser Stelle will noch gesagt sein, dass es sich theoretisch um Werbung handelt, da ich die Sponsoren dieses Events erwähnt habe und ich einen finanziellen Nutzen davon hatte. Alle Kosten wurden von den Sponsoren Bergzeit, PrimaLoft und Scarpa getragen. An der Teilnahme des Alpincamps konnte sich jedoch jeder bewerben. Ich habe regulär daran teilgenommen und hatte das Glück ausgewählt zu werden. Der Tag war wirklich rundum gelungen und die Schuhe von Scarpa waren einfach perfekt. Das sag ich, weil es meine Meinung ist und nein, dafür wurde ich nicht bezahlt ;-)
Den GPX-Track der Tour findest du hier:
Du solltest allerdings beachten, dass die Angaben zur Schwierigkeit und Zeit auf den Sommer bezogen sind. Eine Winterbegehung ist aufgrund des Schnees und den teilweise vergrabenen Stahlseilen deutlich schwieriger und gefährlicher. Auch die aktuelle Lawinenlage sollte unbedingt beachtet werden. Wir haben hoch und runter insgesamt ca. 4 Stunden benötigt.
Habt ihr auch schon mal einen Klettersteig im Winter gemacht? Wie waren eure Erfahrungen?
Schreibt mir gerne in den Kommentaren.
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Michelle MiMi (Mittwoch, 03 Juli 2019 01:13)
Hey wie immer sehr tolle Beiträge. Ich liebe Deine Bilder und auch Deine Beschreibungen dazu, nehmen einen direkt mit an diese wundervollen Orte. Mach weiter so.
Danke und bis bald
Myriam (Freitag, 12 Juli 2019 11:58)
Hey Michelle,
vielen lieben Dank für dein positives Feedback. Freut mich sehr, dass dir meine Berichte und Fotos gefallen.
Wünsche dir eine gute Zeit.
LG
Myriam