Hüttentrekking im Pitztal Teil 4

Hauersee Hütte | Luibiskogel | Rüsselsheimer Hütte

Dieser mächtige Steinbock empfing uns auf dem Aussichtsgipfel Gahwinden, oberhalb der Rüsselsheimer Hütte.
Dieser mächtige Steinbock empfing uns auf dem Aussichtsgipfel Gahwinden, oberhalb der Rüsselsheimer Hütte.

"Mut ist nicht keine Angst zu haben, sondern die eigene Angst zu überwinden".

 

Ich glaube Angst bzw. Sorge hatten bei dieser Etappe einige - Teilnehmer*innen in Bezug auf ihr Können, ich selbst wegen der lastenden Verantwortung und auch Edwin, unser fürsorglicher Hüttenwart von der Hauersee Hütte, war um unser Wohlergehen besorgt.

 

Werde ich es konditionell schaffen? 

Hoffentlich gibt es keinen Steinschlag.

Lass mich nicht abrutschen.

Was machen wir wenn es gewittert?

 

Viele dieser Fragen gingen uns während unserer definitiv anstrengendsten Etappe auf der Pitztalrunde durch den Kopf. Einige kamen an ihre Grenzen, überwanden diese und können nun mächtig stolz auf sich sein. 

Tag 5 - von der Hauersee Hütte zur Rüsselsheimer Hütte

Aufenthaltsraum und Küche der Hauersee Hütte
Aufenthaltsraum und Küche der Hauersee Hütte

Gäääähnnn  - um 5 Uhr klingelte der Wecker und wir waren putz munter, was vermutlich daran lag, dass wir etwas aufgeregt waren. Eine lange, anspruchsvolle Etappe stand vor uns und zudem ein weiterer 3.000er.

 

Da die Hauersee Hütte eine Selbstversorgerhütte ist, hatten wir unser Frühstück selbst mitgebracht. Haferflocken, Milchpulver und für jeden einen Apfel - das musste reichen. Edwin, der fürsorgliche Hüttenwart stand mit uns auf und half uns beim Teewasser kochen. "Seid ihr sicher, dass ihr auf den Luibiskogel hoch wollt?", fragte er mich. "Wir waren vor ein paar Tagen an der Scharte oben und bis dort hin war es schon schwierig", meinte er. "Wir laufen mal hoch und entscheiden dann am Bergfuß, ob wir hoch gehen oder nicht. So wie ich die Gruppe einschätzte, packen die das aber", antwortete ich ihm zuversichtlich.

 

Der frühe Vogel fängt den Wurm oder erklimmt den Gipfel

Zähneputzen im Freien, was gibt es Schöneres :-)
Zähneputzen im Freien, was gibt es Schöneres :-)

Wir genossen die Ruhe beim Zähneputzen im Freien. Sowas hat man nicht auf jeder Hütte, oft staut es sich am Waschbecken und jeder will schnell los kommen.

 

Pünktlich um 06:30 Uhr standen alle fertig mit ihren Rucksäcken auf den Schultern vor der Hütte und waren abmarschbereit. Edwin, spülte netterweise unser Geschirr ab. Er machte sich glaube ich etwas Sorgen um uns wegen der langen Etappe. "Schaut das ihr schnell los kommt, ich mach das hier schon für euch". Zum Abschied schoss er noch ein Foto von uns vor der Hütte. Wir umarmten uns, er wünschte uns alles Gute, wir bedankten uns bei ihm für seine wirklich große Unterstützung und liefen los.

 

In der Frische hinauf auf den Berg

Danke Edwin für das Foto, welches du beim Aufstieg hinter dem Hauersee von uns geschossen hast.
Danke Edwin für das Foto, welches du beim Aufstieg hinter dem Hauersee von uns geschossen hast.

Unsere drei Guides legten ein spitzen Tempo voraus. Alle kamen super mit - es war nicht zu schnell und nicht zu langsam. In Spitzkehren ging der Weg sehr steil über das Geröllfeld hinter dem Hauersee nach oben. Wir wollten bis zum Fuße des Luibiskogel keine Pausen einplanen. Ziel war in der morgendlichen kühlen Luft einige Höhenmeter zu schaffen.

 

Wir kamen an die Ausläufer des Gletschers. Obwohl vom Hauerferner leider nicht mehr viel übrig ist, wurde es gleich spürbar kälter. Die Landschaft war rau, felsig, ohne grün - nur Steine und Eis. Wir waren beeindruckt, wie schnell man sich doch in einer anderen Welt fühlt.

 

Gar nicht so einfach die Wegfindung

Hier war der Weg noch vorhanden.
Hier war der Weg noch vorhanden.

Über große und kleine Felsbrocken ging der Weg immer an der Seite des Gletschers entlang. Teilweise war der Weg mit Stahlseilen und Stahlbügeln versehen. Wir kamen super voran.

 

Irgendwann war die Wegmarkierung nicht mehr zu sehen. Vermutlich rutschte der Weg vor kurzem ab, das Gestein war hier sehr bröselig. Wir entschieden uns direkt am Gletscherrand auf der Seitenmoräne weiter zu gehen. Der Anblick trügte - bei jedem Schritt rutschten die Steine unter unseren Füßen ab und machten das Vorankommen sehr mühsam. Direkt neben uns befand sich der Gletscher, auf den wir natürlich nicht abrutschen wollten. Sobald einer sicher stand, reichte er dem nächsten die Hand. So schlängelten wir uns Stück für Stück weiter vorwärts.

 

Hinauf auf den Luibiskogel

Anfangs war der Aufstieg noch ohne klettern möglich, später änderte sich dies. Im Hintergrund ist der Hauerferner zu sehen.
Anfangs war der Aufstieg noch ohne klettern möglich, später änderte sich dies. Im Hintergrund ist der Hauerferner zu sehen.

Am Gipfelaufbau des Luibiskogel legten wir unsere Rucksäcke ab und machten uns an den Aufstieg. Zuvor noch schnell ein Riegel einwerfen, das Erste-Hilfe-Set umschnallen und los geht`s. Mitkommen wollte natürlich jeder aus der Gruppe - war klar ;-)

 

Der Weg hinauf zur Spitze ist nicht zu unterschätzen. Stellenweise mit Stahlseilen versichert, machten vor allem die ungesicherten, ausgesetzten Passagen einigen zu schaffen. Auch auf Steinschläge sollte man achten, gerade wenn man mit einer größeren Gruppe unterwegs ist und sich dadurch immer jemand unter einem befindet. Bedachtsam, konzentriert und ohne Eile kletterten wir Stück für Stück weiter nach oben.  

 

Voller Stolz erreichten wir den Gipfel.

 

Innerlich angespannt

Abstieg vom Luibiskogel, wie man erkennen kann auf relativ losem Gestein.
Abstieg vom Luibiskogel, wie man erkennen kann auf relativ losem Gestein.

Wir blieben nicht lange oben, da es ziemlich kalt war. Nach dem Eintrag im Gipfelbuch und ein paar Fotos machten wir uns wieder an den Abstieg. 

 

Ich war innerlich ziemlich angespannt. Der Abstieg ist oft schwieriger als der Aufstieg. Am Gipfel sagte mir eine Teilnehmerin, dass es für sie psychisch echt an der Grenze war. Ich bedankte mich für ihre Ehrlichkeit und machte ihr Mut für den Abstieg. 

Eine so schwere Route hatte ich bisher mit Kids, für die ich die Verantwortung trug, noch nicht unternommen. Ich war mir sicher, dass sie es sehr gut meistern würden. Andernfalls wären wir selbstverständlich unten geblieben. Aber es gibt natürlich immer ein gewisses Restrisiko, Dinge die man nicht beeinflussen kann, eine kurze Unachtsamkeit, Schicksal, Pech wie immer man es nenne mag.

 

Ein Grund zum Jubeln

Die drei neugierigen Gämse vom Luibiskogel
Die drei neugierigen Gämse vom Luibiskogel

Unverletzt kamen wir alle wieder am Bergfuß an und damit kam auch mein Lachen wieder zurück. "Jetzt bist wieder die alte Myri", scherzte ein Teilnehmer, der meine innerliche Angespanntheit bemerkt hatte. "Oh ja, gerade fiel ein ziemlich großer Stein von mir. Jetzt gibt es erstmal ein riesen Beifall an euch alle - das war eine MEGA Leistung", jubelte ich und alle stimmten klatschend mit ein.

Die drei Gämse fragten sich wohl, was wir da gerade trieben. Naja, wir wussten es und waren stolz auf uns.

 

Weiter ging es durch die sehr steile Luibisscharte nach unten. Hier war zwar ein Stahlseil an der Felsseite angebracht, vor Steinschlag schützte dies allerdings nicht. Und hier hatten wir wirklich großes Glück. Ein großer Steinbrocken rasselte in einem Wahnsinns-Tempo auf eine Teilnehmerin zu, die sich mit einem Satz zur Seite rechtzeitig retten konnte. 

 

Ein ständiges Auf und Ab

Im Hintergrund der Luibiskogel.
Im Hintergrund der Luibiskogel.

Das technisch schwierigste Stück hatten wir geschafft. Doch standen uns mit den nächsten Jöchern noch einige Höhen- und Kilometer bevor. Über grobes Blockwerk ging es ein kurzes Stück eben weiter, genau richtig um nochmals Luft für den nächsten Anstieg zu holen. Mit großen Tritten kraxelnd ging es zum Sandjoch hinauf. Eigentlich sind es "nur" Jöcher und keine Gipfel. Trotzdem stellte sich jedes mal große Freude bei allen ein, oben angelangt zu sein.

 

So hatten wir an diesem Tag noch das Breitlehn- und Kapuzinerjöchl zu erklimmen und der Weg wollte gefühlt nicht enden. 1.500 Höhenmeter hoch und wieder runter, noch dazu auf nicht einfachem Gelände ist nicht ohne. Ich war so mega stolz auf meine tolle Gruppe.

 

Manchmal muss es auch schnell geh'n

Schön diese Wolkenstimmung, oder?
Schön diese Wolkenstimmung, oder?

Das Wetter war an diesem Tag etwas unbeständig. Eigentlich war es ganz gut, dass kein strahlend blauer Himmel über uns stand und die Sonne uns in den Nacken brannte. Bei dieser anstrengenden Etappe schwitzt man vom Laufen schon genug. Ich liebe es, wenn sich die Wolken zwischen den Bergen durch schieben, wie an diesem Tag. Das gibt immer ganz besonders stimmungsvolle Bilder finde ich. 

 

Doch dann zog der Himmel auf einmal richtig zu. Oh je, es wird doch hoffentlich nicht jetzt schon das Gewitter kommen, das eigentlich für den Abend angesagt war, dachte ich. Wir hatten noch einen letzten Anstieg auf den Gahwinden vor uns. "Leute, ihr müsst nochmal alles geben. Wir dürfen nicht ins Gewitter kommen", schwor ich die Gruppe ein. "Auf der Hütte dürft ihr so viel Kaiserschmarren essen wie ihr wollt und ausgiebig Duschen". 

 

Gleich ist es geschafft

Blick vom Gahwinden hinunter zur Rüsselsheimer Hütte.
Blick vom Gahwinden hinunter zur Rüsselsheimer Hütte.

Es zeigte Wirkung - wirklich jede*r biss seine Zähne zusammen und mobilisierte die letzten Kraftreserven. Im nu standen wir auf dem Aussichtsgipfel Gahwinden. Und dort standen wir nicht allein. Ein Koloss von Steinbock posierte stolz nur ein paar Meter von uns entfernt vor dem Gipfelkreuz. Wow. was für ein Anblick und tolle Belohnung für unsere Leistung.

 

Wir schauten hinab ins Tal und erblickten die Rüsselsheimer Hütte. Juhuuu, jetzt geht`s nur noch bergab und der Weg sieht auch gar nicht mehr schwierig aus. An den Hängen grasten unzählige weitere Steinböcke. Sie schienen Menschen gewöhnt zu sein, denn scheu waren sie überhaupt nicht. 

 

Genuss pur auf der Rüsselsheimer Hütte

Im Blick: die Rüsselsheimer Hütte
Im Blick: die Rüsselsheimer Hütte

Vor dem Regen kam die Sonne nochmals raus und wir konnten unseren wohlverdienten Kaiserschmarren und Apfelstrudel auf der Terrasse der Rüsselsheimer Hütte genießen. 

 

Der ganze Abend war auf dieser Hütte ein wirklicher Genuss. Wir hatten das wunderschöne, neu renovierte Jugendlager komplett für uns. Das Abendessen (ich hatte eine Variation von 3 Knödeln) war absolut spitze und es gab eine warme Dusche. Die gönnte auch ich mir dieses Mal. Zu blöd nur, dass alle auf die Idee kamen und ich bei 14 Personen eine Wartezeit von über einer Stunde vor der Dusche hatte. Naja, wie heißt`s so schön: wer schön sein will muss leiden ;-)

 

Auch Edwin konnte beruhigt sein. Er rief extra beim Hüttenwirt der Rüsselsheimer Hütte an und erkundigte sich, ob eine Jugendgruppe vom Luibiskogel wohlbehalten zurück sei.

 

So waren an diesem Abend all unsere Nerven und Gemüter entspannt und glücklich - auch wenn die Beine zwickten und zwackten und ziemlich verspannt waren ;-)

 

Hier gibt es alle Berichte zu den einzelnen Etappen.

 

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Wäre das auch eine Tour für euch?

 

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