Der Hexensteig bei Silenen ist ein Klettersteig (C) der Extraklasse
Wer nach einem außergewöhnlichen Klettersteigerlebnis sucht, der wird mit dem Hexensteig im schweizerischen Silenen definitiv fündig. Durch einen mächtigen Felsriss geht es im Inneren eines Berges nach oben. Stirnlampen braucht ihr für dieses Abenteuer nicht, es fällt genug Licht ein.
Felskontakt werdet ihr die meiste Zeit sogut wie gar nicht haben. Bei "normalen" Klettersteigen bereitet das meist weniger Freude, nicht so beim Hexensteig. Im Felsen sind zahlreiche Baumstämme angebracht, auf denen ihr euch balancierend nach oben bewegt. Natürlich seid ihr die ganze Zeit gesichert, denn der Klettersteig ist wirklich top in Schuss. An mehreren Felswänden sind zudem Stahlbügel angebracht, an denen ihr relativ einfach nach oben klettern könnt. Die schwierigsten Stellen würde ich mit der Schwierigkeit C beurteilen.
Das Kletter- oder eher Balanciervergnügen dauert nur ca. 1 Stunde. Insgesamt seid ihr mit Zu- und Abstieg an die 3,5 Stunden unterwegs. Weiteres Highlight ist auf jeden Fall auch die Fahrt mit der Luftseilbahn.
Hexensteig statt Klettersteig
Dieses Jahr kam ich leider überhaupt nicht zum Klettersteigen, was mich gegen Ende des Jahres etwas traurig stimmte. Umso glücklicher war ich, als mein Bergbuddy Siggi mit mir einen Tag in die Schweiz fuhr, um ein wenig kraxeln zu gehen.
"Der ist wirklich toll der Hexensteig", schwärmte er bereits mehrfach auf der Autofahrt. "Du wirst ihn lieben, das weiß ich".
Ich war echt mega gespannt - so richtig konnte ich mir nicht vorstellen, wie man in einem Berg auf Baumstämmen nach oben klettert.
Die Autofahrt verlief gut, doch 35 Kilometer vor unserem Startpunkt setzte heftiger Regen ein. "Na toll, jetzt war es die letzten Tage so schönes Herbstwetter und wenn ich einmal was unternehmen möchte, regnet es", fluchte ich. Siggi hatte wie immer schon gefühlte 100 Plan-B, -C, -D... Alternativen im Petto. Die hatten aber alle etwas mit viel Kuchen essen und Stadtbesichtigungen zu tun. "Wir wollten heute doch Sport machen und uns keine Kalorien anfuttern", meinte ich traurig. "Es sind ja noch ein paar Kilometer - ich geb die Hoffnung nicht auf, dass es noch gut wird".
Start der Tour ist Silenen im Kanton Uri
Wir bogen in das Tal nach Silenen ein und in der Ferne kam uns ein Leuchten entgegen. "Da wird es hell!", sagten wir beide gleichzeitig begeistert. Tatsächlich war der Asphalt in Silenen trocken. Rings um uns herum schwebten dichte, dunkelgraue Wolken. Doch über uns war es recht hell und wir waren voller Zuversicht, die Tour in trockenem Zustand machen zu können.
In dem kleinen Ort folgten wir der Beschilderung zur Luftsteilbahn. Wir hatten Glück und von den ca. 4-5 vorhandenen, kostenfreien Parkplätzen war tatsächlich noch einer frei. Wer hier einen riesigen Touristen-Rummel erwartet, der irrt sich gewaltig. Die Luftsteilbahn steht in der Mitte eines beschaulichen Wohngebietes und ist nicht größer als eine kleine Scheune.
Siggi stieg aus dem Auto und ging zielstrebig auf das kleine Seilbahnhäuschen zu. Kurze Zeit später stand er mit einem Telefonhörer in der Hand da und sagte dem Mann am anderen Ende der Leitung, das wir in 5 Minuten gerne hoch fahren würden. Da bin ich mal gespannt, wie das klappt...
Ferngesteuert den Berg hinauf
Unsere Tagesrucksäcke standen bereits fertig gepackt im Kofferraum. "Der Seilbahnwärter kommt bestimmt gleich her. Letztes mal ging das auch schnell", erklärte mir Siggi. Schon irgendwie witzig, dachte ich mir. Da wohnt man direkt neben der Seilbahn und kommt einfach mal schnell zum Bedienen auf Anfrage rüber. Doch es kam keiner...
"Irgendwo klingelt es", meinte ich. Es war der Hörer der sich direkt in der Gondel befand. Ich ging ran und eine freundliche Stimme sagte: "steigt ein."
Ich war ein bisschen irritiert: "und wo bezahlen wir?"
"Ich bin oben, ihr könnt dann oben bezahlen", sagte der Mann.
Dieses Mal startete die Gondel also ferngesteuert. Mir machten es uns in der kleinen Gondel gemütlich. Irgendwie sah sie ein bisschen aus wie ein kleines Kinderbett oder eine Holzkiste ;-). Ich war schon sehr auf die Fahrt gespannt.
Weiteres Highlight: die Fahrt mit der Luftseilbahn
Wenig später schwebten wir bereits über den Dächern von Silenen. "Wow, also ich finde bereits diese Fahrt ist ein echtes Highlight", sagte ich freudig zu Siggi. Normalerweise bin ich kein Freund von Seilbahnen und entscheide mich meistens für's hoch laufen. Aber diese Bahn hier ist echt anders und wie ich finde ein Muss. Irgendwie total urig und es stimmte uns auf den Hexensteig super ein.
Die Berg- und Talfahrt kostet (Stand 2022) nur 7 CHF. Ich hab mich nicht verschrieben - wirklich 7!!! und nicht 70 ;-)
Für die Schweiz ist das ein echtes Schnäppchen. Die Fahrzeiten sind im Sommer von 7-21 Uhr. Im Herbst und Winter ist die Bahn geöffnet, solange kein Schnee liegt. Ich stelle euch unten ein Foto ein, wo die Telefonnummer des Seilbahnbetreibers drauf steht. Ihr könnt dort gerne im Vorfeld anrufen und fragen, ob die Bahn auch offen hat, bevor ihr euch ins Auto setzt.
Übrigens können sogar Fahrräder mit der Gondel transportiert werden. Das sieht auf dem Foto alles recht eng aus, aber scheint wohl tatsächlich zu gehen.
Der Zustieg zum Hexensteig kann beginnen
Nach nur 7 Minuten kamen wir am Kilcherberg auf 1.165 Meter Höhe an. Der Seilbahnwart begrüßte uns freundlich. Er betreibt hier oben eine Alm und ist daher auch öfters hier oben anzutreffen. Ich erleichterte noch kurz meine Blase, während Siggi mit dem älteren Mann quatschte. "Es wird heute nicht regnen, hat der Mann gesagt", meinte Siggi beschwingt. "Sag ich doch", zwinkerte ich ihm zu.
So, es kann los geht...
Wir folgten dem Wegweiser in Richtung Seewli. Der Hexensteig ist hier unten noch überhaupt nicht angeschrieben. Wenn man also nicht weiß, das es ihn gibt, findet man ihn auch nicht. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum dieser ganz besondere Klettersteig so wenig bekannt ist.
High Intensiv Intervalltraining am Berg ;-)
Über die Almwiese ging es stetig bergauf. Obwohl die Berge ordentlich nebelverhangen waren, mochte ich die Stimmung sehr. Das Laub war bunt, es wehte mir ein kalter Wind um die Nase und die Luft war frisch und gut. Ich war echt glücklich, für einen Tag wieder raus in die Berge gekommen zu sein.
Siggi rannte wie immer in einem zackigen Tempo den Berg hinauf. Im Auto meinte er noch: "lass uns gemütlich machen, wir haben ja den ganzen Tag Zeit und die Tour ist nicht lang". The same procedure as every tour, musste ich innerlich schmunzelnd denken.
"Ich brauch eine Pause", keuchte Siggi schweißgebadet. Mit ebenfalls nassem Gesicht meinte ich nur: "dann lauf mal langsamer. Ich dachte du wolltest chillen".
Das Ganze wiederholte sich dann in der ähnlichen Art und Weise noch ein paar Mal. Aber immerhin konnte ich so ein paar Kalorien zusätzlich los werden, wenn der "Alte Mann" (er nennt sich selbst immer so) mir den Puls hoch treibt.
Rechts oder links herum?
An einer Wegkreuzung kommen wir ins Straucheln. "Ich glaube es geht durch den Wald weiter", meinte mein Weltenbummler. Wir schlugen also den linken Weg ein. Ein kurzes Stück ging es durch den Wald, dann querten wir den Hang. "Mhhh, eigentlich müsste es noch weiter nach oben gehen", kamen die Zweifel.
"Soll ich mal auf dem Handy nachschauen?", bot ich an. "Nö, brauchst du nicht, wir sind falsch", kam als Antwort.
Ok, egal - denn die Aussicht war toll. Bevor wir umdrehten schossen wir noch einige Fotos - auch wolkenverhangener Himmel kann toll sein, oder?
Im Galopp ging es also wieder zurück zur Wegkreuzung. "Irgendwie war es doch ganz schön lang, das wir in die falsche Richtung liefen", stellte Siggi fest. "Rennst du deswegen so?", lachte ich.
"Wenn wir die letzte halbe Stunde in den Regen kommen, bist auf jeden Fall du Schuld", scherzte ich.
Das Rennen geht wieder los
Am Wegkreuz angekommen, folgten wir weiterhin der Bezeichnung Seewli. Vom Hexensteig ist auf dem Schild wieder nichts zu lesen. Ob es ihn wohl wirklich gibt?...
Tatsächlich kamen wir wieder in einen Wald und dieses mal ging es auch steil bergauf - wie ich das vermisst hatte (ne, Spaß natürlich...).
"Das passt", freute sich Siggi.
"Warum rennst du denn dann schon wieder?", kam prompt der Konter.
"Weil wir die verlorene Zeit aufholen müssen. Danach lauf ich langsam - versprochen."
Äh nein, lachte ich innerlich - du kannst gar nicht gechillt laufen ;-)
Ihn gibt es also wirklich :)
Nach ca. 400 Höhenmetern und einem zusätzlichen Schlenker, kamen wir nach 1,5 Stunden am Abzweig des Hexensteigs an. Tatsächlich stand hier zum ersten Mal ein Schild - es gibt ihn also wirklich :-)
Noch kurz den Hang gequert und schon standen wir vor dem Eingangstor des Klettersteigs. Das Tor kann auch abgesperrt werden, daher lohnt es sich wirklich vorab den Seilbahnwart telefonisch zu kontaktieren. Er meinte, das der Klettersteig bei Schnee dann geschlossen wird. Solange es jedoch noch schneefrei ist, ist dieser Klettersteig eine tolle Möglichkeit für den Herbst und frühen Winter.
Ein riesiger Riss zieht sich von unten nach oben durch den kompletten Berg. Genau in diesem Riss wird es nun gleich nach oben gehen. Doch bevor die Kletterei oder eher die Balanciererei beginnt, mussten wir im Inneren des Berges noch die andere Seite erreichen. Und wie geht das am besten? Richtig, mit einer Seilrutsche.
Der Hexensteig kann beginnen
In der Schweiz sagt man zu einer Seilrutsche scheinbar "Tyrolienne", hab ich mir sagen lassen. Also genau dank solch einer kommen wir recht elegant auf die andere Seite des Risses. Da die Seilrutsche waagerecht angebracht ist, wir also nicht eine Fallgewindigkeit wie bei einem Flying Fox entwickeln, müssen wir uns mithilfe eines angebrachten Zugseils hinüber ziehen. Das Ganze ist wirklich easy und man benötigt kein zusätzliches Equipment, außer natürlich seinen Klettergurt und das Klettersteigset, welches man aber ja eh an hat.
Auf der anderen Seite angekommen geht's auch schon los mit dem ersten Baumstamm. Obwohl ich mit 1,70m nicht unbedingt klein gewachsen bin, tat ich mich beim Einklinken am ersten Stahlseil etwas schwer - irgendwie kam ich einfach nicht richtig ran. Das besserte sich dann im weiteren Verlauf des Klettersteigs über. Aber ich denke gerade für Kinder sind die Sicherungen teilweise recht hoch angebracht. Daher würde ich den Klettersteig für Kinder nicht empfehlen.
Klettern mal anders
Wir folgten den Baumstämmen immer weiter nach oben. Mal sind die Stämme waagerecht befestigt, mal verlaufen sie schräg nach oben. Die meiste Zeit befindest du dich tatsächlich auf diesen Baumstämmen. Felskontakt hat man nur wenig. Normalerweise stört mich das an Klettersteigen oft, doch nicht so bei diesem. Ein bisschen erinnerte mich der Steig an meine Kindheit, als man im Sportunterricht noch über den Schwebebalken balancieren musste. Netterweise gibt es natürlich immer noch das Sicherungsseil, das man für die bessere Balance gerne in die Hand nehmen kann.
Ein paar Gimmicks haben sich die Erbauer zusätzlich einfallen lassen. So gibt es ungefähr in der Mitte des Klettersteigs ein schönes Aussichtsbänkchen. Den Abzweig darf man nur nicht verpassen, denn der eigentliche Weiterweg geht im Felsinneren weiter. Leider hatten wir an diesem Tag keine gute Aussicht - der Nebel verdeckte jegliche Sicht ins Tal und die umliegenden Berge. Cool war es trotzdem, denn durch den Nebel hatte ich überhaupt keinen Fixpunkt als ich über den Stamm lief. Unter mir hätte es 200 oder auch 2.000 Meter hinunter gehen können und irgendwie löste das ein mulmiges Gefühl in meinen Knieen aus - eine interessante Erfahrung.
Meiner Meinung nicht schwieriger als C
Neben dem Aussichtsbänkchen gibt es auch noch einen senkrechten Baumstamm, an dem sich noch die abgesägten Aststumpen befinden. An diesen klettert man dann wirklich ganz easy nach oben. Ich hatte eher davor Angst, dass die teilweise recht dünnen Stumpen brechen könnten. Taten sie zum Glück nicht.
"Ich bin echt mega begeistert!", trällerte ich immer wieder vor mich hin. "Das ist soooooo coole hier".
Auch wenn der Klettersteig an sich nur ca. 1 Stunde geht, ist jede Sekunde ein Erlebnis der ganz besonderen Art.
Ein paar senkrechte Felswände gibt es dann auch noch, die wir dank den Stahlbügeln recht zügig hinauf kamen. Ein bisschen Armkraft fordern diese Passagen dennoch, auch wenn sie nicht arg lang sind. Von der Schwierigkeitsskala sind das im Anfangsbereich des Klettersteigs die C Stellen. Ich verlinke euch hier auch noch die entsprechende Topo.
Tolle Rastmöglichkeit am Ende des Hexensteigs
Übrigens braucht ihr während des gesamten Klettersteigs keine Stirnlampe. Durch den Felsriss kommt immer genügend Tageslicht rein, selbst an einem grauen und düsteren Novembertag wie heute.
Wenig später erblickten wir das Grün einige Gräser - wir hatten den Ausstieg erreicht. Auch hier gibt es wieder eine tolle Rastmöglichkeit mit Bank und Tisch. Wären die Temperaturen nicht so kalt gewesen, hätten wir es uns hier echt nochmals gemütlich gemacht. Doch Siggi wollte lieber zu seinem Kuchen - ok, ich auch ;-)
Noch ein paar Meter ging es den Berg hinauf. "Ich dachte wir laufen jetzt wieder runter", jammerte ich hinter Siggi, der schon wieder im Rennmodus war. "Ja, ja, gleich..."
Zum Abschluss noch ein tolles Panorama
Er hatte Recht und wenig später liefern wir auf einem schönen Pfad bergab. Durch den Nebel zeichnete sich schemenhaft ein markanter Felsturm ab. Das muss der Pfaffenturm sein, stellte ich fest. Schade, dass das Wetter doch eher schlechter geworden ist als zu Beginn unserer Tour. Ein weiterer Grund, um nochmals hier her zu kommen.
Nach ca. 15 Minuten stießen wir wieder auf unseren Aufstiegweg, dem wir bis zur Seilbahn folgten. Der nette Seilbahnwart begrüßte uns wieder. "Ihr könnt gleich einsteigen", bat er uns. "Denn unten warten bereits Personen die hoch fahren wollen".
Gesagt getan - wir saßen im urigen Holzwagen der Seilbahn und blickten zum Abschluss auf ein fantastisches Bergpanorama. Ein wunderschönes Abschlussbild bot der Hausberg mit seinem bereits leicht gezuckerten Gipfel, der aus der Wolkendecke heraus ragte.
Da mach selbst ich große Augen
Natürlich durfte der Kuchen nicht fehlen, auf den ich mich schon die ganze Zeit so sehr gefreut hatte. Den gab es zwar nicht in der Schweiz, sondern im Schlosscafe in Glatt, einem Örtchen, durch das wir auf der Heimfahrt eh durchfuhren.
Und ja, was soll ich sagen. Siggi hatte nicht gelogen:
hier gibt es wirklich die größten Kuchenstücke, die ich je gegessen hatte :)
Kommentar schreiben