Unsere multikulturelle Wanderung führt uns in die Hessigheimer Felsengärten
Doris und Tirej, unsere älteste und unser jüngster Teilnehmer wünschten sich für unsere Märztour Abenteuer und lange Wege. Gesagt, getan: es ging heute auf wilden Wegen entlang des Neckarufers und hoch hinauf auf die Hessigheimer Felsengärten. Kraxelnd ging es durch eine Schlucht und später zum genüsslichen Abschlussgrillen.
Für mich war die Tour ein Heimspiel, da ich im Nachbarort Besigheim aufwuchs und bereits oft hier in der Gegend war. Die meisten kannten die markanten Muschelkalkfelsen über den Weinbergen allerdings nur von unten. Umso beeindruckter waren sie, als wir gemeinsam auf den Felsplatten standen und das wunderschöne Panorama, inklusive der Neckarschleife genossen.
Neue Gesichter und alte Freunde
Ich war echt mehr als erstaunt und gleichzeitig glücklich, als nach und nach immer mehr Anmeldungen für unsere März-Wanderung über unsere whatsapp-Gruppe eingingen. Von 22 Anmeldungen waren wir an unserem Wandertag sage und schreibe 20 Personen - so viel wie schon lange nicht mehr. In unregelmäßigen Abständen wandern wir gemeinsam in unserer näheren Umgebung, zusammen mit Geflüchteten und Einheimischen. Unsere Gruppe umfasst inzwischen 41 Personen, die natürlich nie alle zeitgleich an den Wanderterminen Zeit haben. So ist es jedes Mal eine Überraschung, wer alles auf unsere multi-kulti Wanderung mitkommt.
Ich war voller Vorfreude, neue Menschen an diesem Tag kennenzulernen und alte Freunde wieder zu sehen.
Die Vorfreude auf die Felsengärten ist groß
Wir trafen uns wie immer in Steinheim und fuhren mit Fahrgemeinschaften zum Ausgangspunkt unserer heutigen Tour. Die Felsengartenkellerei in Hessigheim war vielen bereits ein Begriff und einige waren hier im Sommer bereits am Neckar unterwegs. Doch die wenigsten kannten die markanten Muschelkalkfelsen oberhalb der Weinberge aus nächster Nähe.
"Da gehen wir am Ende noch zusammen hoch und du bekommst dein gewünschtes Abenteuer", sagte ich zu unserem jüngsten Mitwanderer Tirej, der bereits voller Erwartungen zu den Felsen schaute. "Jetzt laufen wir aber erstmal auf die andere Seite des Neckar", sagte ich zur Gruppe. "Los geht's".
Tipp:
Kostenfrei kann man hier an der Kellerei das Auto parken. Einen großen Spielplatz samt Grillstelle gibt es hier ebenfalls. An den Wochenenden haben außerdem die Weinstände geöffnet, bei denen man auch Kaffee und Kuchen erhält.
Erinnerung an alte Zeiten
Unsere Gruppe, in der heute gleich 8 neue Personen mitwanderten, setzte sich in Bewegung. Es war ordentlich kalt an diesem Morgen im März und der Wind pfiff stark um unsere Ohren. Einige begannen bereits zu frösteln.
Über die gelbe Fußgängerbrücke ging es über den Neckar. In dem Moment als wir drüber liefen, schipperte ein Schiff unter uns durch. Schnell wurden die Handykameras gezückt und Fotos geschossen. Das erinnerte mich an meine Kindheit. Meine Großeltern hatten hier in den Steillagen viele Jahre lang einen Weinberg. In diesem befand sich eine kleine Weinberghütte mit einem flachen Steindach. Oft saß ich, vor allem bei der Weintraubenlese, auf dem Dach in der Sonne und beobachtete die Schiffe, die damals noch wesentlich öfter fuhren als heute. Für mich war das immer mein Lieblingsweinberg und ich erinnere mich gerne an die Zeiten von damals zurück.
Wanderung entlang des Neckarufers
Nach einem kurzen Wegstück ging es ab in den Wald. Auf einem tollen Pfad führte unser Weg direkt am Ufer des Neckar entlang. Das Wetter war sehr trüb am heutigen Tag, doch hier und da leuchteten kleine Farbkleckse auf dem braunen Waldboden. Stechend grünes Moos überzog die herumliegenden Baumstämme, hier und da sprießte bereits der Bärlauch und an einigen Stellen wuchsen diese wunderschönen blau-lila farbenen Blumen.
"Ich bin hier oft in der Gegend unterwegs", sagte ein älterer syrischer Teilnehmer, der zum ersten Mal dabei war. "Jeden Tag laufe ich mindestens 7 Kilometer - das tut mir sehr gut". Seine Frau hat in der Regel wenig Lust mitzukommen. Heute konnte er sie allerdings überreden, trotz des schlechten Wetters. Die Gruppe motivierte sie und am Ende hatte es ihr richtig viel Spaß gemacht. "Ich komme auf jeden Fall das nächste Mal auch wieder mit", freute sie sich.
Wir sind alle gleich
Wir kamen an eine Wegsperrung und interpretierten das Schild irgendwie falsch. Das führte dazu, dass wir an eine Stelle kamen, an der einige umgestürzte Bäume den Weg versperrten. Zu viele lagen übereinander, sodass man nicht einfach darüber steigen konnte. "Tirej ,du wolltest doch Abenteuer haben", fragten ich den jungen Syrer. "Jetzt hast du es", lachte ich und setzte schon zum ersten Schritt querfeldein zum Hang an.
Wir mussten die Stelle umlaufen und dazu den steilen Hang hinauf steigen. Sofort waren zahlreiche helfende Hände da, die Stöcke zum abstützen suchten oder beherzt zugriffen um alle irgendwie hoch zu bringen. Wir sind füreinander verantwortlich und es berührt mich jedes Mal, zu sehen wie selbstverständlich das in unserer Gruppe funktioniert. Es gibt keine Berührungsängste oder irgendwelche Vorurteile - hier draußen in der Natur sind wir alle gleich.
Das Jahr der Begegnungen
Nachdem wir den für viele schweißtreibenden Aufstieg geschafft hatten, mussten wir den steilen Hang auch wieder hinab. Jetzt merkten wir auch, dass wir uns an der Wegsperrung vorhin für den falschen Weg entschieden hatten. Ein anderer, kleinerer Pfad führte nach wie vor am Ufer entlang. Wir wählten den augenscheinlich einfacheren, der sich dann ziemlich wild entwickelte und im Grunde in einer Sackgasse endete.
Wir entschieden, dass wir vorerst genug Abenteuer hatten und begaben uns auf den kleinen Uferweg.
"Das ist echt so ein tolles Projekt, mit so vielen lieben Menschen", sagte Hiltraut, die heute ebenfalls zum ersten Mal dabei war. Sie entdeckte einen unserer Artikel in der Tageszeitung und wollte unbedingt einmal mitkommen. "Ich habe das Jahr 2023 zum Jahr der Begegnungen für mich erklärt und die Wanderung heute ist der perfekte Anfang dafür", erzählte sie weiter. Was für ein tolles Motto, dachte ich gleich. Ich freute mich total, dass sie sich so schnell wohl in unserer Mitte fühlte und offen und interessiert allen Teilnehmern begegnete.
Für jeden das Passende dabei
All zu lange konnten wir uns auf dem geraden Stück am Ufer nicht erholen, jetzt ging es steil bergauf. Der Weg war so schmal, das wir alle hintereinander laufen mussten. Die Fitteren sprangen vorne draus und warteten oben geduldig auf den Rest. Manche hatten sich echt quälen müssen und kamen mit hochrotem Kopfe oben an. Oh je, dachte ich. Ob die das nächste Mal wieder mitkommen, hatte ich etwas Sorge. "Geschafft", freuten sich auch die Letzten. "Es war anstrengend, aber auch gut", lachte Ferida und nahm mir damit meine Sorgen.
Es ist immer schwierig, für alle das Passende zu finden. Die einen wollen Abenteuer, lange und anstrengende Wege. Die anderen legen eher Wert auf eine schöne Umgebung, eine kurze Strecke und mehr Zeit für beispielsweise grillen und reden. So versuche ich den Schwerpunkt der Tour jedes Mal auf etwas anderes zu legen und somit für alle irgendwann mal das Passende dabei gehabt zu haben.
Aussicht genießen und Erinnerungen festhalten
Nach einer kurzen Trinkpause ging es weiter. Kurze Zeit später standen wir an einer schönen Aussichtsplattform hoch über dem Neckar. Trotz des trüben Wetters war die Aussicht auf Hessigheim, die Schleuse und die Weinberge die alles einrahmten fantastisch. Wir verbrachten einige Zeit damit Fotos zu schießen - ein Familienbild, ein Einzelbild, ein Bild mit den besten Freunden.
Ich musste etwas zum Weitergehen drängen, denn wir hatten ja noch vor auf die Felsengärten hoch zu gehen, die man von hier übrigens in der Ferne erkannte. Dazu mussten wir allerdings erstmal wieder hinab zum Neckar laufen und ein Stück wieder hinauf. Ob das alle körperlich noch schafften? Einige wirkten schon ziemlich erschöpft. Wir werden sehen und können zur Not auch später zwei Gruppen machen, meinte ich zu einem Teil der Gruppe, die bereits etwas besorgt waren.
Absolut tolle Nachrichten
Abraham, ein eritreischer Mann erzählte mir stolz, dass er kürzlich bei seinem Arbeitgeber eine Festanstellung erhalten hat. Er war einige Jahre befristet und teilweise über eine Zeitarbeitsfirma dort beschäftigt. Seine gute Arbeitsleistung hat sich nun endlich bezahlt gemacht. Ich freute mich wirklich sehr für ihn. Auch konnte er mit einem Freund endlich aus der sehr beengenden Ein-Zimmer-Wohnung ausziehen, da sie gemeinsam nun eine größere Wohnung gefunden hatten.
Faeza, die von Anfang an Teil unserer "Wanderglück-Gruppe" ist, erhielt vor ein paar Tagen ein Stipendium in den USA. Wow, was für eine einmalige Chance!!! Sie hatte es sich definitiv mehr als verdient. "Ich musste ein Auswahlverfahren durchlaufen, denn es wurden nicht viele genommen", erzählte sie aufgeregt. Mit der schriftlichen Bewerbung konnte sie überzeugen und wurde eingeladen. Dazu sollte sie drei Gegenstände mitbringen und der Jury schildern, warum sie genau diese Gegenstände wählte.
Sie brachte unter anderem ihre Wanderschuhe mit - wie cool dachte ich gleich. Sie erzählte von unserem Projekt und was sie bisher erlebt hat.
"In Deutschland kann jeder seinen Weg gehen und frei entscheiden, was er möchte", ich denke das hat sie überzeugt, lachte sie stolz.
Vorsichtige Blicke und neue Aussichten
Es ist schön mitzuerleben, wie sich das Leben nach und nach bei jedem zum Guten wendet. Die Ausgangslage ist bei vielen so unglaublich schwierig - alles verloren, teilweise alleine und ohne Familie in einem fremden Land, mit zahlreichen Vorurteilen konfrontiert. Und doch schaffen es viele sich ein gutes, neues Leben aufzubauen. Würden wir das auch schaffen? Diese Frage stelle ich mir oft und bin mehr als dankbar, dass ich nicht das erleben musste, was viele aus unser Gruppe erlebt haben.
Oben auf den Felsengärten angekommen, trauen sich einige vorsichtig an die Felsen vor. Sie johle: "ahhhh, es geht so tief hinunter". Andere sitzen auf den Aussichtsbänkchen und genießen die traumhafte Aussicht und die ausgelassene Stimmung. "Tirej, sollen wir mal schauen ob wir nach unten in die Schlucht kommen?", fragte ich unseren kleinen Abenteurer. "Au ja", freute er sich etwas verlegen und folgte mir.
Die Schlucht durch die Hessigheimer Felsengärten
Die Felsengärten werden auch die "Schwäbischen Dolomiten" genannt. Obwohl das Gebiert hier recht klein ist, sind die markanten Felsen doch ziemlich bekannt. Vor allem bei Kletterern ist das Gebiert hier sehr beliebt, auch wenn die Felsen mittlerweile sehr speckig und somit recht schwierig zu klettern sind.
Wir erkundete die Schlucht und staunten über dieses wunderschöne Naturschutzgebiet. An einer Stelle überkletterten wir große Steinbrocken, ehe es wieder zurück ging. Es hatte allen mega gut gefallen und keiner war bisher hier in der Schlucht gewesen. Ich bin mir sicher, der ein oder andere wird sicherlich nochmals eigenständig hier her kommen.
Das obligatorische Abschlussgrillen
Über den wunderschön angelegten Trampelpfad liefen wir weiter oben an den Felsengärten entlang. "Unter uns verläuft der Rückweg zum Parkplatz", zeigte ich ihnen von oben. In schnellem Tempo traten wir den Rückweg an - wir hatten nämlich Hunger :-)
Am Grillplatz, der sich direkt neben den Parkplätzen befindet, hatte ein kleiner Teil unserer Gruppe bereits das Feuer entfacht. Die überdachte Grillhütte wurde leider renoviert und so hockten wir mit unseren Stecken auf dem Boden und warteten, bis unsere Würstle fertig wurden. Freidun und Faeza waren da wesentlich besser ausgestattet. Die beiden Afghanen hatten Fleischspieße aus Metall dabei, die man einfach auf die Glut legen konnte. Sie halfen uns aus und nach und nach wurde auch unser Grillgut fertig.
Ein abenteuerlicher, interessanter und lustiger Wandertag ging zu Ende und war für alle eine wahre Bereicherung.
Ihr wollt die Wanderung zu den Hessigheimer Felsengärten auch wandern? Hier findet ihr den GPX-Track der Tour:
Alle Infos zu unserem Integrationsprojekt "Wanderglück" findest du hier.
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