Multikulturell erklimmen wir die Rote Flüh sowie die Große Schlicke in den Tannheimer Bergen
Im September stand endlich wieder unser diesjähriges Bergevent an. Mit 15 multikulturellen Teilnehmenden aus Eritrea, Syrien, Afghanistan, Rumänien und Deutschland ging es für drei Tage in die atemberaubende Schönheit der Tannheimer Berge. Die urige Otto-Mayr-Hütte diente uns als Ausgangspunkt für unser Bergabenteuer. Bei strahlendem Sonnenschein bestiegen wir gleich zwei Gipfel - die Rote Flüh sowie die Große Schlicke. Für viele war es das erste Mal, dass sie in den Bergen waren und ihre majestätische Schönheit hautnah erleben durften. Doch das tolle Gefühl von Freiheit auf dem Gipfel, musste mit jedem Schritt zunächst erkämpft werden. Für viele waren die mehr als 1.300 Höhenmeter Aufstieg eine große Herausforderung. Mit jedem Schritt wurden Ängste überwunden und das Gefühl der Zusammengehörigkeit gestärkt.
Auch dieses Jahr wurden wir von der Stadt Steinheim und dem Outdoorhersteller Maier Sports sowie Wrightsocks unterstützt. Eine großzügige Spende kam von Harald Grumser. Ganz lieben Dank dafür, auch für die super tolle Funktionskleidung in Form von T-Shirts, Hosen und Socken.
Die Vorfreude auf das Bergabenteuer ist groß
Samstags morgens trafen wir uns in Steinheim, um mit Fahrgemeinschaften in die Tannheimer Berge nach Tirol zu fahren. Tatsächlich waren bereits um 06:45 Uhr alle
15 Teilnehmer versammelt und wir konnten pünktlich starten. Die Vorfreude, aber auch der Respekt vor dem was uns in den Bergen erwarten würde, stand allen ins Gesicht geschrieben.
Dieses Mal waren einige Teilnehmer dabei, die noch niemals zuvor in den Bergen und auch sonst mit unserer Wandergruppe nicht unterwegs waren. Werden sie die geplanten Touren konditionell schaffen? Wie werden sie sich in die Gruppe integrieren? Auch ich war zugegebenermaßen ziemlich aufgeregt vor den kommenden drei Tagen, doch die Vorfreude überwog.
Von Musau in Tirol wandern wir zur Otto-Mayr-Hütte
Nach einer unkomplizierten Fahrt kamen wir am Wanderparkplatz in Musau an. Noch schnell eine Kleinigkeit essen, Rucksäcke packen, Wanderstiefel schnüren und los ging es.
Bis zur Otto-Mayr-Hütte standen uns gemütliche
6,5 Kilometer und 660 Höhenmeter, auf einem gut zu laufenden Fahrweg bevor. Genau richtig, um mit allen ins Gespräch zu kommen und sich besser kennen zu lernen. Doch ins Schwitzen kamen wir bei den heißen Temperaturen trotzdem.
Nach kurzer Zeit spürten einige den Vorteil der Zipp-off-Hosen von Maier Sports. Im nu waren die Beinteile abgezippt und frischer Wind wehte um unsere Waden. Sogar den südländischen Teilnehmern waren die Temperaturen an diesem Tag zu heißt. "Wir sind das nicht mehr gewohnt, seitdem wir mehrere Jahre in Deutschland leben", lachten sie und wischten sich den Schweiß von der Stirne.
Bergbäche liebt einfach jeder, oder?
Da kam der Sababach auf halber Wegstrecke wie gerufen. "Hier machen wir eine kleine Pause", sagte ich, während bereits einige Teilnehmer freudig ihre Schuhe und Socken auszogen und in den kühlen Bach stiegen. Was gibt es schöneres als in einem Bergbach zu Plantschen und das Lachen glücklicher Menschen um sich herum zu hören, dachte ich mir.
Vor uns öffnete sich zum ersten Mal auch die Landschaft und die markante Köllespitze kam zum Vorschein. "Gehen wir da morgen hoch?", wollte ein Teilnehmer wissen. "Lass uns nachher auf der Hütte einmal gemeinsam die Karte schauen und gucken, wo unser Weg lang geht", schlug ich vor.
Auf eine tolle Zeit in den Bergen, mit gutem Essen und schönen Gesprächen
Die Wiese am Bach war ein super Plätzchen, um unsere offizielle Kennenlernrunde einzuläuten. Neben dem Namen wollten wir von jedem Teilnehmenden wissen, was passieren müsse, damit die nächsten drei Tage ein Flop und was, damit sie Top werden. Das Rennen beim Thema Flop machte definitiv das Essen. Schon witzig, dachte ich mir. Ist irgendwie immer so, egal in welchem Kontext ich bisher mit Gruppen unterwegs war. Können wir nur hoffen, dass wir auf der Hütte gut versorgt werden ;-).
Die Vorfreude war besonders groß, die Berge hautnah zu erleben und auf einen Gipfel zu steigen. Aber auch ein harmonisches Miteinander, gute Gespräche und Spaß in der Gruppe wurde oft genannt.
Integrationsprojekt "Wanderglück" - natürlich Arbeit, aber auch ganz viel Freude
Gut gelaunt ging es weiter, immer tiefer ins Herzen der Bergwelt. Bereits nach diesen paar Stunden wusste ich, dass sich die Arbeit im Vorfeld der Tour mehr als gelohnt hat. In so viele strahlende Gesichter blicken zu dürfen, motiviert mich jedes Jahr aufs Neue. Zu sehen, wie sich alle super verstehen, offen miteinander reden und der Umgang einfach völlig unkompliziert abläuft, freute mich total.
"In Eritrea bin ich viel gewandert", erklärte mir Tekle, der zum ersten Mal in den Bergen dabei ist. "Mein ganzes Leben dort bestand eigentlich aus Laufen", lachte er herzlich. "Hier in Deutschland laufe ich wenig, ich bin nichts mehr gewohnt", meinte er mit einem zwinkern.
Auch Freidun aus Afghanistan freute sich sehr auf die kommenden Tage. Er ist mittlerweile Rettungssanitäter und sehr in den Job eingespannt. "In der Natur kann ich super entspannen", sagte er. "Hör mal die Geräusche und wie es hier riecht", freute er sich. "Das ist wahre Freiheit".
Platt aber glücklich - Ankunft auf der Otto-Mayr-Hütte
An der Abzweigung konnten wir zwischen zwei Wegen wählen. Entweder dem Fahrweg weiter folgen oder den steilen Waldaufstieg bis zur Hütte gehen. Wir entschieden uns für den Waldweg. Hier können wir bereits erste, leichte alpine Erfahrung sammeln, dachte ich mir. Denn der Weg morgen wird eine ganz andere Nummer sein, als der Spaziergang heute.
In steilen Serpentinen schlängelte sich der schmale Pfad durch den Wald. Wir überquerten einen Bach und ließen immer wieder unsere Blicke über die gegenüberliegenden Berge schweifen. "Irgendwo da drüber werden wir morgen empor kraxeln", sagte ich den Jungs, die gerade bei mir liefen. "Sieht gar nicht so einfach aus", meinten sie. "Wird es sicherlich auch nicht", lachte ich. "Aber gemeinsam werden wir das ganz bestimmt hin bekommen".
Nach ca. 2,5 Stunden erblickten wir die Otto-Mayr-Hütte. "Endspurt Leute", freute ich mich und die Anderen ebenfalls. "Ich bin so froh es geschafft zu haben", strahlte Scherko, der etwas an seiner Kondition zweifelte. "Ich bin echt platt, aber es fühlt sich auch irgendwie gut an".
Geburtstag in den Bergen
Auf der Otto-Mayr-Hütte wurden wir herzlich empfangen. So fühlt man sich gleich wohl und willkommen. Wir teilten die Matratzenlager ein - ein großes Lager für die 12 Jungs und ein Zimmerlager für uns 4 Mädels. Nachdem ich alle mit den Regeln auf einer DAV-Hütte vertraut gemacht hatte, erfuhr ich nebenbei, dass Scherko heute Geburtstag hatte. Oh man, hätte ich das bloß vorher gewusst, ärgerte ich mich etwas. Ich hatte überhaupt nichts dabei, um den Geburtstag ein wenig zu feiern.
Hüttenwirtin Isabel half mir aus der Patsche. Es gab noch eine große Portion Obstkuchen und eine Kerze organisierte sie ebenfalls für uns. Zur Feier des Tages sangen wir alle ein Liedchen für Scherko, der gerührt die Kerze auspustete. Gemeinsam aßen wir den leckeren Kuchen auf der Terrasse der Hütte und ließen den Nachmittag ausklingen.
Ein harmonisches Miteinander
Auch das Abendessen ließ nicht lange auf sich warten. Das Thema Essen war ja für viele die größte Sorge und ich war gespannt, ob alle satt wurden. Die Gemüsesuppe, Pasta mit Gemüse-Sahnesauce und der Nachtisch ließ keinen Magen mehr knurren, alle waren pappsatt und es schmeckte ihnen gut. Ist ja tatsächlich gar nicht so einfach was das Essen angeht, denn bei den unterschiedlichen Kulturen sind die Geschmäcker oft verschieden.
Mit dem Hüttenpersonal und auch den anderen Gästen verstanden sich alle prima. Klar, unsere bunt gemischte Gruppe fiel definitiv auf. Viele waren sehr interessiert und wollten genau wissen, von wo wir kamen und was wir für eine Gruppe sind. Es ist schön zu sehen, dass die Resonanz für solch ein Integrationsprojekt überwiegend positiv ist und unser Umfeld spürt, was für tolle Menschen wir dabei haben.
Highlight am Abend - ein Alpenglühen
Nach dem Abendessen spielten wir noch eine ganze Weile UNO und hatten total viel Spaß beim spicken, bescheißen und teilweise fair spielen ;-).
Als Belohnung bekamen wir nach dem Sonnenuntergang noch ein fantastisches Alpenglühen zu sehen. Das Licht färbte die Bergspitzen rot und orange. Dieses Naturschauspiel war ein unvergesslicher Moment und alle zückten begeistert ihre Handys.
Pünktlich um 22 Uhr wurde das Licht ausgeschaltet. Wir mummelten uns zufrieden in unsere Schlafsäcke und waren gespannt, was uns morgen erwarten würden.
Fotogalerie Tag 1: von Musau zur Otto-Mayr-Hütte
An unserem 2. Tag geht es hoch hinaus - wir wandern auf die Rote Flüh
Alle hatten sehr gut geschlafen und spätestens nach dem leckeren Frühstück auf der Otto-Mayr-Hütte, waren auch alle Kräfte beisammen, um auf unsere heutige Tour zu starten. Die über 1.300 Höhenmeter im Auf- und Abstieg, welche uns heute erwarteten, waren definitiv kein Klacks. Noch dazu kam die Schwierigkeit des Weges, denn bei der Tour handelt es sich um einen schwarzen (schwierigen) Bergweg.
Um 08:15 Uhr standen alle pünktlich abmarschbereit vor der Hütte. Die Rucksäcke wurden teilweise aufgeteilt, sodass nicht jeder immer Gepäck auf den Schultern zu tragen hatte. Das regelten die Teilnehmer unter sich und es freute mich zu sehen, wie sie sich gegenseitig halfen und unterstützten.
Nach einer kleinen Vorstellung der heutigen Tour ging es auch schon los.
Helfende Hände und das tolle Gemeinschaftsgefühl stärken uns
Über den uns bekannten Waldpfad ging es erstmal bergab. Doch der lange und kräftezehrende Aufstieg Richtung Nesselwängler Scharte ließ nicht lange auf sich warten. Auf der anderen Seite des Sababach schlängelte sich unser Weg zwischen Gimpel und Köllenspitze steil bergauf. Die erste Felsstufe kam und der Einsatz von unseren Händen war zum ersten Mal erforderlich. Sofort waren helfenden Hände da, um alle sicher über den Felsen zu bekommen.
Das ist einfach das tolle an solchen Wanderungen, dachte ich in Gedanken. Es braucht überhaupt keine spezielle Intervention, um Gemeinschaftsgefühl und Hilfsbereitschaft aufzubauen. Die Natur, die Bewegung, ein gemeinsames Ziel - all das reicht völlig aus.
Wanderungen erlebnisreich gestalten - Tierbeobachtungen gehören da unbedingt mit dazu
Auf einem großen Felsen legten wir eine Pause ein. Was springt denn dort oben im Geröll? Wir hatten tatsächlich mehrere Gämse gesichtet und zückten das Fernglas. Was für ein Glück, freute ich mich. Tiere in freier Wildbahn begeistern in der Regel immer die Teilnehmer - so auch dieses Mal. Jeder warf neugierig einen Blick durch das Fernglas. "Die sind echt mega schnell", sagte Tekle erstaunt. "Ist es denen im Winter hier nicht zu kalt?", wollte Gisene wissen. Ich erklärte ihnen einiges über die Gämse in unseren Alpen und alle lauschten gespannt.
"Wir sollten weiter gehen", versuchte ich die Gruppe anzuschuppsen. "Wir haben noch eine ordentlich lange Strecke vor uns und zum Abendessen wollt ihr ja wieder auf der Hütte sein". Das Thema Essen zog wie immer und alle setzten sich in Bewegung.
Schlüsselstellen bei der Wandertour auf die Rote Flüh
Warum der Weg schwarz/schwierig ist, wurde allen an der ersten Felspassage klar. Etwas ungläubig schauten wir die senkrechte Felswand hinauf, die sich vor unseren Augen erhob. "Müssen wir da hoch?", fragten einige skeptisch.
"Wir werden das zusammen schaffen - glaubt mir", versuchte ich zu beruhigen. "Ihr habt euch bisher so toll angestellt, dass ihr da auch hoch kommt".
An den zwei folgenden Felspassagen ist zwar ein Stahlseil zum Festhalten gespannt, doch geht es senkrecht die Felswand empor. Definitiv nichts für schwache Nerven. Ich selbst war auch gespannt, wie sich alle bei diesem Stück anstellten. Die Verantwortung für 14 Teilnehmer lag bei mir und dementsprechend nervös war ich innerlich. Alle waren hoch konzentriert und durchstiegen die Stelle sehr souverän, was eine große Erleichterung in mir auslöste.
Ein unglaubliches Gefühl in dieser tollen Bergwelt
Oben angekommen, blickte ich in lachende Gesichter. Alle waren glücklich und sicherlich auch stolz, diese schwierige Schlüsselstelle geschafft zu haben. Die Erfahrung des Kletterns war nicht nur physisch anspruchsvoll, sondern auch eine emotionale Reise. Wir hatten unsere Ängste überwunden und das Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten gestärkt. Durch die Unterstützung der Gruppe fanden alle den Mut weiterzumachen und unser Ziel zu erreichen. Was für ein tolles Gefühl, dies mit diesen wunderbaren Menschen zu teilen.
Unsere Anstrengung wurde mit einem immer besser werdenden Panorama belohnt. Die Otto-Mayr-Hütte von der wir starteten, sahen wir mittlerweile gegenüber in weiter Ferne immer kleiner werden. Neben uns stachen die markanten Felszacken der Köllenspitze empor. Wir waren schon sehr gespannt, was uns auf der anderen Bergseite erwarten würde. Bis zur Nesselwängler Scharte war es nicht mehr weit.
Unser Gipfelziel haben wir ab jetzt im Blick
Kurz vor der Scharte legten wir nochmals eine längere Vesperpause ein. Da kam die satt-grüne Wiese am Ende der Felspassagen wie gerufen. Frisch gestärkt ging es die letzten Meter hinauf zur Nesselwängler Scharte, die sich genau auf 2.000 Meter Höhe befindet.
Der Blick hinab ins Tal war phänomenal. Wir hatten wirklich absolutes Traumwetter und eine perfekte Fernsicht. Zum ersten Mal konnten wir nun auch einen Blick auf unser Gipfelziel, die Rote Flüh erhaschen, die sich bisher immer hinter dem Gimpel versteckte. "Wow, sieht mega schön aus", sagte Ali während andere eher: "puhhh ist das noch weit" ausstießen.
Tatsächlich lag noch ein ordentlich, langes Stück Weg vor uns und die Zeit war bereits weit fortgeschritten.
Selbsteinschätzung ist nicht nur in den Bergen wichtig
Unser Weg setzte sich nun auf der anderen Bergseite fort. Doch vorher mussten wir eine schwere Entscheidung treffen. "Wir werden es mit diesem Tempo nicht rechtzeitig bis zum Gipfel schaffen", erklärte ich etwas traurig der Gruppe. "Wir werden nun zwei Gruppen bilden. Eine geht weiter bis zum Gipfel und die andere tritt jetzt den Rückweg zur Hütte an".
Erstaunlich schnell waren sich alle einig, mit welcher Gruppe sie weiter liefen. Sich selbst richtig einzuschätzen und die im Moment sinnvollste Entscheidung zu treffen, ist so unheimlich wichtig im Leben. Auch wenn ich wirklich traurig war, das Gipfelglück nicht allen schenken zu können, freute es mich total, dass alle so diszipliniert, umsichtig und realistisch waren.
Auch war ich sehr froh, Lena und Tobi dabei gehabt zu haben. Mit ihnen konnten zwei weitere Teilnehmende wieder sicher alleine zur Hütte wandern, während wir weiter Richtung Gipfel liefen.
Top motiviert geht es weiter
Nach der Nesselwängler Scharte ging es erstmal ein ordentliches Stück bergab. Ja, ihr lest richtig - bergab. Ist natürlich immer ein unschönes Gefühl, wenn man in der Ferne den Gipfel im Blick hat und weiß, alles was ich jetzt runter laufe muss ich nachher wieder hoch (plus vielleicht noch ein bisschen mehr). Doch die Jungs waren super motiviert und zielstrebig. Wir kamen fix voran, sahen sogar noch eine weitere Gams und waren bereits voller Vorfreude auf den gemeinsamen Gipfelerfolg.
Knuddelstation kurz unterhalb der Roten Flüh
Kurz unterhalb des Gipfels kam uns eine Herde Ziegen entgegen. Sie rannten in vollem Speed den Wanderweg hinunter, sodass wir uns erstmal in Sicherheit bringen mussten. "Hey krass, wie viele kommen denn da noch?", fragten wir uns. Die Ziegen schossen um die Kurve und kannten keine rechts vor links Regel ;-).
Nachdem sie dann alle unten waren und uns zum Glück nicht vom Weg gefegt hatten, mussten sie für mehrere Fotoshootings her halten. Sie ließen sich ausgiebig streicheln und fotografieren, was ihnen tatsächlich zu gefallen schien. Die Jungs hatten sehr viel Spaß mit den Tieren und konnten sich nur schwer von ihnen los reißen.
Gemeinsam ans Ziel - wir haben es geschafft
Die letzten Meter bis zum Gipfel der Roten Flüh waren nochmals anstrengend. Durch eine felsige Rinne kraxelten wir immer höher, bis wir auf dem 2.108 Meter hohen Gipfel standen. "Oh mein Gott, ich habe es wirklich geschafft", freute sich Scherko und die anderen mit ihm. "Für mich war es das schönste, dass Scherko es geschafft hat", lachte sein Freund Heval. Für Scherko und einige andere war es nämlich der erste Berggipfel auf dem sie standen.
Wir genossen die fantastische Aussicht von hier oben. Unter uns lag der türkisfarbene Haldensee und auch der Blick auf den schroffen Gimpel und unseren bereits zurückgelegten Weg ließen die Herzen höher schlagen.
"Es war schon anstrengend", gestand Matthias und setzte mit einem Lachen hinter her: "aber eine gute Art Anstrengung, weil man es geschafft hat".
Nach dem Eintrag ins Gipfelbuch, zahlreichen Gipfelfotos und einer Kalorienzufuhrt machten wir uns wieder auf den Rückweg zur Hütte. Es war bereits Nachmittag und wir hatten sicherlich noch gut 3 Stunden Wegstrecke vor uns.
Kulturelle Unterschiede bereichern
Obwohl der Rückweg auf dem gleichen Weg wie der Hinweg verlief, hatten wir eine völlig andere Sichtweise auf die Gegend. Mehr und mehr merkten wir auch, wie wir immer sicherer auf den Bergpfaden wurden. Selbst die schwierigen Kraxelstellen meisterten im Abstieg alle mit Bravur.
Wir lachten noch total viel während des Rückwegs. Was mir wirklich schon oft bei unseren multikulti-Wanderungen aufgefallen ist, dass wir viel herzlicher und ausgelassener Lachen, als wenn ich mit Einheimischen unterwegs bin. Keine Ahnung warum das so ist, ich kann nur Mutmaßungen anstellen und allgemein gültig ist das natürlich ebenfalls nicht. Mir fällt auf, dass die Teilnehmer sehr offen, neugierig und unvoreingenommen sind. Obwohl sie alle extrem viel Leid erfahren haben, nehmen sie das Leben wie es ist, erfreuen sich an vielem und geben die Hoffnung niemals auf. Und das meiner Meinung nach wichtigste: sie lachen über sich selbst.
Ein gelungener Tag geht zu Ende
Pünktlich zum Abendessen kamen wir wieder auf der Otto-Mayr-Hütte an. Der andere Teil unserer Gruppe saß gemütlich auf der Sonnenterrasse. Es war schön, wieder alle zu sehen. Wir berichteten uns gegenseitig von unseren Erlebnissen und freuten uns bereits auf das Abendessen.
Am Abend saßen wir noch lange vor der Hütte beisammen, aßen Sonnenblumenkerne und andere arabische Snacks, spielten Karten und erzählten uns Geschichten.
Unsere Wandertour hat uns nicht nur die Möglichkeit geboten die Natur zu genießen, sondern uns auch eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen gegeben. Wir alle hatten die Schönheit der Berge erlebt, aber auch wertvolle Erkenntnisse über Zusammenhalt, Mut und den Wert von Unterstützung erhalten.
Fotogalerie Tag 2: Bergwanderung auf die Rote Flüh
Am 3. Tag erklimmen wir die Große Schlicke und steigen nach Vils ins Tal ab
Gut ausgeruht, aber mit etwas Muskelkater in den Beinen, brach unser letzter Tag in den schönen Tannheimer Bergen an. Nach dem Frühstück hieß es Abschied nehmen, von der urigen Otto-Mayr-Hütte und dem liebenswerten Hüttenteam.
Auch mussten wir leider drei unserer Teilnehmer verabschieden. Sie wurden über Nacht krank und es wäre unverantwortlich gewesen, mit ihnen die über 4 stündige Tour zu wandern. Statt dessen liefen sie auf dem bekannten Fahrweg zurück nach Musau, wo auch ein Teil unserer Autos stand.
Mit dem Rest der Gruppe machten wir uns auf, die
ca. 520 Höhenmeter zur Großen Schlicke aufzusteigen.
Werden wir es gemeinsam auf unseren zweiten Gipfel schaffen?
Da wir nicht mehr an der Hütte vorbei kamen, mussten wir heute wieder mit unserem vollen Rucksack wandern. Ein riesen Unterschied, so viel Last auf den Schultern zu tragen - das spürten auch die Teilnehmer. Teilweise wurde etwas Gepäck umgeschichtet, sodass die konditionell Schwächeren nicht so viel zu schleppen hatten.
Anfangs verlief der Weg durch den Wald. Trotz des Schattens kamen alle ordentlich ins Schwitzen. An der ersten Wegkreuzung legten wir eine Pause ein. "Es gibt nun zwei Möglichkeiten", erklärte ich der Gruppe. "Wir könnten theoretisch wieder zwei Gruppen machen - eine die zum Gipfel geht und eine welche den Gipfel unterhalb halb umrundet". Ehrlich gesagt hatte ich mir gewünscht, dass alle in den Genuss kamen, nochmals auf einem Berggipfel zu stehen - vor allem auch die, welche gestern leider umdrehen mussten. "Ich denke ihr würdet alle den Gipfel schaffen", setzte ich mit einem Zwinken hinterher.
Was glaubt ihr, wie viele kamen letztlich mit?
Motiviert von der Natur, der Aussicht und dem Teamspirit
Alle waren motiviert es bis zum Gipfel der Großen Schlicke zu schaffen und das freute mich sehr. Der Wald lichtete sich und wir kamen auf eine schöne Almwiese. Gegenüber von uns erhob sich die mächtige Köllenspitze, der Gimpel und sogar unser Gipfel des Vortages, die Rote Flüh spickelte dahinter hervor. "Unglaublich, dass wir gestern da hoch sind", staunte Sherav. "Von hier aus sieht es total schwierig aus. Ich bin sehr glücklich, dass wir es geschafft haben". Wie so oft im Leben tut sich der Weg manchmal erst auf, wenn man ihn wagt zu gehen.
In der Ferne zauberte das Licht der Sonne und die Silhouette zahlreicher Berge ein ganz besonderes Bild. In verschiedenen Blautönen schimmerten die Berg. "Wow, das sieht aus wie in einem Animation-Film", schwärmte Ali. "Ich dachte immer das Berge nur in Filmen so blau gezeichnet werden". Er war begeistert, dies wirklich in der Natur vorzufinden.
Gipfelglück auf über 2.000 Meter in den Allgäuer Alpen
An diesem Tag gab es nicht nur Sonnenschein von oben - unsere Herzen strahlten, als wir es zusammen auf die Große Schlicke hinauf schafften. Mit guten Gesprächen, Rücksicht und Hilfsbereitschaft schafften es tatsächlich alle auf den 2.059 Meter hohen Gipfel.
Die Stimmung war ausgelassen und jeder freute sich sichtlich über dieses tolle Gipfelerlebnis. Ganz besonders freute ich mich für Gizene, die bereits gestern so hart gekämpft hatte, dann aber leider umdrehen musste. Ich gönnte es ihr (und natürlich auch den anderen) soooo sehr.
Von hier oben hatten wir einen fantastischen Blick auf zahlreiche Seen wie den Forggensee, Bannwaldsee, Hopfensee, Alpsee und sogar das Schloss Neuschwanstein sahen wir von hier oben. Letzten Jahr waren wir mit unserer Gruppe nämlich in der Nähe von Neuschwanstein wandern (hier geht's zum Bericht).
Auch die schwierigen Bergwege meistern wir super
Nach einem ausgiebigen Gipfelgenuss traten wir wieder den Rückweg an. Zirka 15 Minuten ging es auf dem gleichen Weg zurück, bis wir dann dem Wegweiser zur Vilser Scharte folgten.
An dieser angekommen, schluckten wir kurz. "Geht es da wirklich runter?", wollte Yosif wissen. Wir blickten die steile Scharte hinunter. "Ok, so steil hatte ich sie auch nicht erwartet, aber das gestern war schwieriger", antwortete ich. "Wir laufen einfach langsam und konzentriert, dann wird das auf jeden Fall klappen".
Wir liefen die steilen Serpentinen bergab. Nach der Leiter die wir überquerten, folgte eine Felsquerung, die mit Stahlseilen abgesichert war. Absolut sicher und konzentriert meisterten alle diese Schlüsselstelle. Der schottrige Abstieg der danach folgte war um einiges unangenehmer und einige landeten auf dem Hosenboden. Naja, ist ja immerhin gut gepolstert und mehr als einen kleinen Schrecken bekamen wir nicht.
Das Bergabenteuer geht zu Ende - die Erinnerungen bleiben
Langsam aber sicher ließen wir die Bergwelt hinter uns. Über einen immer noch steilen Waldweg kamen wir rasch tiefer ins Tal. Nach gut 4 Stunden erreichten wir den Fahrweg, der zur Vilser Alm führte. Zu gerne hätten wir den Wandertag bei einem Abschluss-Kaiserschmarren ausklingen lassen. Doch die Alm hatte heute leider Ruhetag.
Mit leicht knurrenden Mägen ging es schnurstracks weiter Richtung Vils. Der Bach unterhalb des Wanderparkplatzes bot uns nochmals eine angenehme Erfrischung. Immerhin waren wir die letzten 3 Tage ziemlich lange auf den Füßen. So ein kaltes Fußbad ist ein wahrer Genuss.
Am Ende wollte ich nochmals wissen, was den Teilnehmern am besten gefallen hat:
die guten Gespräche beim Wandern, die Natur, die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, die tollen Aussichten, der Spaß und die Freude... Ich würde sagen es waren gelungene drei Tage :-)
Zum Feedback könnt ihr auch gerne einmal das Instagram-Reel dazu anschauen.
Erlebnisreiche Tage gehen zu Ende - bleibt am Ende DANKE zu sagen
Unser Integrationsprojekt "Wanderglück" hat wieder einmal gezeigt, dass gemeinsame Aktivitäten wie Wandern nicht nur die Integration fördern, sondern auch eine Brücke zwischen verschiedenen Kulturen bauen kann. Momente der Freude, des Staunen, aber auch der Anstrengung und dem erreichen eines gemeinsamen Ziels verbinden.
Wir kehren von diesen drei Tagen nicht nur mir wertvollen Erinnerungen zurück, sondern auch einem gestärkten Zusammengehörigkeitsgefühl und dem Wissen, gemeinsam jede Herausforderung meistern zu können.
Die Stadt Steinheim, der Outdoorhersteller Maier Sports sowie Wrightsocks und Harald Grumser haben mit ihrer Unterstützung sowie der Bereitstellung von Funktionskleidung einen wichtigen Beitrag zu diesem unvergesslichen Erlebnis geleistet. Ein ganz großes DANKESCHÖN von uns allen. Ohne euch wäre unser Bergabenteuer nicht möglich gewesen.
Tausend DANKE an Euch alle - für eure Offenheit, Herzlichkeit, Lebensfreude und euren Teamspirit. Es waren auch für mich drei wundervolle, unvergessliche Tage.
Bleibt so wie ihr seid - ihr seid wunderbar 💜
Ganz besonderen Dank auch an meinen Schatz Timo. Die Wochen vor dem Event bin ich mit den Nerven meistens ziemlich durch. Ich danke dir für deine Unterstützung, dein Verständnis und deine immer lockere Art 😘
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