Perfekter Tag mit schaurigem Ende
Unser vierter Tag auf dem lykischen Wanderweg beginnt absolut toll. Wir steigen aus dem warmen Bett und werden mit einem überaus üppigen und leckeren, landestypischen Frühstück von Raziye und Ramazan verwöhnt.
Auf einem angenehm zu gehenden Weg wandern wir durchs türkische Hinterland, bis wir dem Meer wieder näher kommen. Auf dem knapp 700 Meter hohen Pass angekommen, geht es nun wieder runter bis auf Meereshöhe ins Örtchen Gavuragili, wo es den besten türkischen Kaffee und Ayran gibt ;-). Bis nach Pydnai, unserem heutigen Wanderende stehen uns noch einige Kilometer bevor. Einsam geht es durch Wälder erneut bergauf. Oben angekommen, haben wir einen fantastischen Ausblick auf den 16 Kilometer langen Patara Sandstrand. Aber auch die zahlreichen Gewächshäuser, welche zwischen Pydnai und dem nächsten Etappenziel Xanthos liegen, durchbrechen das natürliche Landschaftsbild.
Unser Entschluss steht daher fest, die 5. Etappe von Pydnai nach Xanthos (Kinik) mit dem Bus zu fahren. Der endlose Weg durch die Gewächshäuser sparen wir uns. Bevor wir uns ein Zeltplatz für die Nacht suchen, besichtigen wir die Ruinen von Xanthos, die zum UNESCO Weltkulturerbe zählen. Wir haben den Tag über so viel Schönes erlebt. Gerne hätte es so am Abend auch weiter gehen können. Doch das Glück stand nicht mehr auf unserer Seite oder sagen wir mal so, wir hatten Glück im Unglück.
Perfekter Start in den Tag
Annika und ich hatten eine wunderbar, erholsame Nacht in der kleinen Pension "Raziye & Ramazan" in Bel. Um 07:20 Uhr klingelte unser Wecker und nach unserer Horror-Nacht tags zuvor waren wir nun endlich wieder gut erholt und voller Tatendrang. Ok, unsere Augen waren noch ordentlich zu gequollen, was sicherlich daran lag, dass wir einfach sooooo tief und fest schliefen.
Um 8 Uhr gab es ein Stockwerk tiefer, im Wohnzimmer von Ramazan und seiner Frau Raziye ein super leckeres Frühstück. Wir saßen wieder am Tisch mit dem deutschen Paar und waren beeindruckt, was Raziye alles zum Frühstück zauberte. Käse, Gemüse, Oliven, verschiedene Marmeladen und Sirupe, Fladenbrot, Eier, Linsensuppe und ein total leckeres Gebäck, das an unsere Fastnachtsküchle zur Faschingszeit erinnerte. Unsere Bäuche waren kurz vor dem Platzen und Ramazan lud uns immer noch mehr auf, schenkte uns Tee nach und unterhielt uns mit seiner herzlichen und gastfreundlichen Art.
"Lebe wohl" - Abschied nehmen
Schweren Herzens mussten wir uns von den beiden Gastgebern verabschieden. Wir werden die Pension und die beiden liebenswerten Menschen in sehr guter Erinnerung behalten. Zum Abschied schenkte uns Ramazan noch ein paar Schokoriegel aus seinem Laden. Auch Wasserfalschen wollte er uns unbedingt mitgeben, während die anderen Trekker ihre Flaschen am Brunnen auffüllten. Ein "nein" hatte er nicht akzeptiert. So füllten wir unsere Flaschen mit dem frischen Wasser von ihm auf und packten die Schokoriegel ein. Wir umarmten die beiden und verließen über die Asphaltstraße den kleinen Ort Bel.
"Ach Mensch waren die beiden süß", schwärmte Annika noch lange auf unserem weiteren Weg. "Ich hätte mir die Türkei echt nicht so vorgestellt", gestand sie sich ein. Wie so oft muss man Dinge erst einmal erleben und kann sich dann eine Meinung dazu bilden. Es freut mich sehr, das es ihr bisher auf unserem Trekking so gut gefiel.
Heute ist Bergfest unseres Trekkings auf dem lykischen Weg
Unser Weg zweigte auf eine schottrige Piste ab, die sich in einer sanften Steigung bergauf zog. Links von uns hatten wir einen traumhaften Ausblick ins Tal. Immer wieder strahlte die Sonne durch die dunklen Wolkenfelder, die noch zwischen den Bergen hingen. In der Ferne glitzerten bereits die Gewächshäuser, die sich hinter dem Strand von Patara in einem großflächigen Gebiet befinden. Heute Nachmittag werden wir dort irgendwo in der Nähe raus kommen - inshallah "so Gott will" ;-).
Mittlerweile hatten wir uns ganz gut an unser schweres Gepäck auf dem Rücken gewöhnt und kamen recht entspannt den Berg hinauf. "Heute ist Bergfest", lachte ich hinüber zu Annika. Von unseren geplanten acht Etappen, waren wir heute genau in der Mitte angelangt. "Ich könnte ewig so weiterlaufen", grinste meine Wanderfreundin beschwingt und glücklich und setzte einen Schritt vor den anderen.
Vorfreude auf den Tag und einer gemütlichen Nacht im Zelt
Unser Wanderweg gestaltete sich den Vormittag über sehr abwechslungsreich. Nachdem wir die Schotterpiste verlassen hatten, kamen wir auf eine Wiese mit einigen Olivenbäumen. Wieder einmal eine tolle Möglichkeit zum Zelten wäre hier gewesen. Annika und ich waren beide jedoch froh, die letzte Nacht in der gemütlichen Pension verbracht zu haben. "Der Wetterbericht sieht für heute Abend gut aus - keine Orkanmeldung", meinte ich zu ihr. "Unserer Nacht im Zelt steht also bisher nichts entgegen".
"Oh super", freute sich meine 16 Jahre jüngere Wanderbegleiterin. "Dann suchen wir uns ein schönes Plätzchen und genießen den Abend. Ich freu mich jetzt schon drauf".
Mittlerweile verzogen sich auch die dunklen Wolken und die Temperaturen kletterten schnell in die Höhe. Über den schattigen Wald durch den es nun bergauf ging, waren wir beide ganz happy.
Vom Berg geht's wieder hinab zum Meer
Auf dem Pass angekommen, eröffnete sich uns ein fantastischer Ausblick hinab zum Meer. "Da müssen wir jetzt komplett runter", sagte ich zu Annika, die vom bergab laufen meist wenig begeistert ist. Bergauf ist ihr tausendmal lieber.
"Wird das hier schwierig?", wollte sie von mir wissen. "Keine Ahnung, ich war hier auch noch nie", zwinkerte ich ihr zu. "So schlimm wie das Klettern hinab zur Schmetterlingsbucht an unserem ersten Tag, wird es ganz bestimmt nicht werden", grinste ich.
Ich konnte ihr einfach immer sagen, dass es nie mehr so schlimm werden würde als an unserem ersten Tag - da war ich mir absolut sicher.
In diesem Fall hat es auch gepasst. Der Abstiegsweg war zwar sehr steil, klettern musste man jedoch nie. Teilweise war der Weg nicht markiert, die Route war jedoch ziemlich klar. Aufgrund der rötlich gefärbten Erde konnte man bei unklaren Stellen einfach den roten Fußabdrücken der Vorgänger folgen.
Leckerer Abstecher auf unserem Wanderweg
Wir kamen auf Meereshöhe an und hatten den Großteil des heutigen Abstiegs geschafft. Über eine Wiese mit wunderschönen, roten Mohnblumen ging es weiter. Plötzlich fing es zu regnen an. Also Regensachen raus, Rucksackhülle drüber - dieses Mal warteten wir nicht mehr so lange als beim letzten Mal. Kurze Zeit nachdem wir alles an hatten, hörte der Regen auf und die Sonne ließ uns in sekundenschnelle in unseren Klamotten schwitzen. Irgendwie ist das immer so, oder? Das Spielchen machten wir noch 2x, nachdem es uns dann zu blöd war.
"Dann werden wir halt nass, es trocknet eh schnell wieder", waren wir uns beide einig.
Nach ein paar Orientierungsproblemen später kamen wir im Örtchen Gavuragili an. "Also ich hätte Lust auf einen Kaffee und natürlich auf einen Ayran", schwärmte Annika. "Auf der Karte ist unten am Meer ein Restaurant eingezeichnet", sagte ich zu ihr. "Von mir aus können wir da gerne hin".
Türkische Köstlichkeiten
Das Restaurant "Lykia Park Orman" lag zwar etwas abseits unserer Route, doch hat sich der Abstecher zu 100% gelohnt. Über eine sehr steile Asphaltstraße ging es am Ortseingang hinab Richtung Meer. Dort befindet sich in einer traumhaften Lage das Restaurant und einige Bungalows, in denen man übernachten kann. Wir setzten uns in den kleinen Gastraum und wurden von einer jungen Türkin gefragt, was wir haben möchten. Auch sie konnte weder deutsch noch englisch sprechen. Ayran und türkischen Kaffee bestellen - darin hatten wir mittlerweile Übung ;-).
Wirklich ganz toll dekoriert bekamen wir unseren Türkischen Kaffee serviert, während wir mit den Baby Kätzchen spielten, die tapsig im Raum umher liefen. Das müsst ihr euch unbedingt unten einmal in den Fotos anschauen, wie toll das Getränk aussah. Auf einem rustikalen Holzbrett wurde die typisch, kleine Tasse, sowie eine metallene Kanne serviert. Daneben lag ein Stück türkischer Honig sowie eine Zuckermandel. Außerdem ein hübsches Gläschen Wasser mit einer Zitronenscheibe. "Mhhhhh, du musst unbedingt den Ayran probieren", flippte Annika fast schon aus. "Ich schwöre dir, das ist der beste Ayran in der Türkei!!!" Und ja, sie probierte in den vier Tagen mittlerweile schon echt viele und konnte das ziemlich gut beurteilen.
Wunderbare Aussichten auf dem lykischen Weg
Mit übervollen Ayran-Mägen setzten wir unsere Etappe fort. "Lass uns noch kurz runter zum Strand gehen", schlug Annika vor. Soviel Zeit muss sein - auch ich wollte gerne einen Blick auf das türkisblaue Wasser werfen. Zum Baden war es heute leider zu stürmisch und die Wellen waren zu stark. Zeit hätten wir eh keine gehabt, und so schossen wir ein paar Fotos, genossen kurz das Meeresrauschen und waren beeindruckt vom bergigen Hinterland, von dem unser Weg noch vor wenigen Stunden bergab führte.
Upsi, das ist ne Schildkröte und kein Stein
Der nun folgende Weg war einfach zu gehen. Hauptschwierigkeit waren die Schildkröten, die mehrfach mitten im Weg lagen und erst kurz vorher von uns entdeckt wurden. Die haben echt ne gute Tarnung - vielleicht sogar fast schon zu gut. Ungern wollte ich mit meinen Schuhen aus Versehen gegen sie treten. Wir kamen auf dem breiten Forstweg gut voran und alle Schildkröten blieben verschont.
"Irgendwo hier muss laut Karte ein Weg abzweigen", sagte ich suchend. Wir liefen ein Stück zu weit und drehten wieder um, ehe wir den schmalen Trampelpfad sahen. "Das ist aber echt nicht gut sichtbar", meinte Annika. Tatsächlich war hier an der Stelle überhaupt nichts markiert und der Pfad nicht als solcher erkennbar. Also definitiv die klare Empfehlung, nicht nur mit einer Wanderkarte sondern auch mit GPS auf dem lykischen Weg unterwegs zu sein. Auf dem Waldpfad ging es nun im Nadelwald bergauf. Immer wieder hatten wir auf diesem Stück den Weg verloren. Teilweise liefen wir dann einfach querfeldein nach oben, was auch funktioniert hatte.
Wellenrauschen an der lykischen Küste
Oben angekommen, hörten wir noch bevor wir sie sahen, die Wellen am Strand von Patara brechen. Obwohl wir ordentlich erhöht standen, war das Rauschen der Wellen extrem laut zu hören. Wir stiegen auf die Bergkante und blickten hinab auf den 16 Kilometer langen Sandstrand - wow, was für ein Anblick. Direkt am Strand und am angrenzenden Sumpfgebiet gibt es keine Häuser. Erst weiter im Landesinneren beginnen die Massen an Gewächshäusern, die das Landschaftsbild prägen und ehrlicherweise auch verschandeln.
Hier oben wurde uns schnell klar, dass wir die nächste Etappe von Pyndai nach Xanthos bzw. Kinik nicht laufen würden. Bereits im Wanderführer wurde beschrieben, dass diese Etappe fast ausschließlich durch die zahlreichen Gewächshäuser führt. Wir konnten uns das anfangs nicht vorstellen. Von hier oben sah der Weg aber in der Tat nicht gerade beeindruckend aus und unsere Entscheidung stand fest. Wir waren allerdings schon jetzt gespannt, wie wir von dem menschenleeren Strand nachher nach Xanthos bzw. Kinik kommen sollten.
Regenschauer Anfang April liegt einfach drin - auch in der Türkei
Weiter ging's sozusagen einmal um den Berg herum. Der Wanderweg wurde jetzt wieder felsiger, was ich prinzipiell liebe. Außerdem setzte erneut Regen ein und dieses Mal lohnte es sich definitiv, die Regenjacke inkl. Rucksackhülle über zu ziehen. Der Regen machte die Steine ordentlich rutschig und auch die Wegfindung war wieder nicht mehr ganz so einfach. Rote Punkte auf den Steinen markierten den Weg. Allerdings sahen wir diese oft nicht richtig, was zum einen an unserem eingeschränkten Sichtfeld dank Regenkaputze lag und zum anderen daran, das die Markierungen ungünstig angebracht waren. GPX-Track auf dem Handy anzuschauen war keine Alternative, da unsere beiden Handys nicht wasserdicht waren. Letztlich fanden wir gut durch die Felslandschaft, kamen auf der anderen Bergseite wieder raus und hatten den Strand von Patara erneut im Blick.
Der Weg will nicht enden
Eigentlich sah der Stand nun gar nicht mehr all zu weit aus. Keine Ahnung warum, aber der Abstiegswegs der nun folgte zog sich eeeeeeewig. Auch passten die Angaben im Wanderführer schon seit einer Weile nicht mehr.
Mit 12 Kilometern und einer Gehzeit von 4,5 Stunden dachten wir eigentlich, heute eine entspannte Etappe zu haben. Mittlerweile waren wir bereits über eine Stunde länger unterwegs und die Pausen waren dabei bereits abgezogen.
Auf felsigem, rutschigen Untergrund ging es Stück für Stück den Berg hinab. Der Weg an sich war zwar ganz schön, aber die Aussicht veränderte sich gefühlt nie, was uns nicht gerade motivierte. Annika, die sonst immer gute Laune hatte, war ebenfalls bereits etwas knatschig. Naja, kennt man von so einem Mehrtagestrekking auch irgendwie, das mal für kurze Zeit einfach die Lust weg ist.
Irgendwie hatten wir es dann doch geschafft und kamen im sumpfigen Gebiet von Pydnai, auf einer fast ganz neuen Asphaltstraße heraus.
Durch die Ruinen von Pydnai
Auf der Straße führte unser Weg nur kurz weiter. Wenig später ging es durch die Ruine von Pydnai. Diese wurden im 1. Jahrhundert nach Christus als Schutz für den Hafen erbaut, der direkt daneben, im heutigen Sumpfgebiet liegt. Von der Festungsanlage war nicht mehr viel übrig, trotzdem machte es Spaß durch ihre Mauern zu laufen. Ok, an einer Stelle war es etwas doof, da wir mit unseren schweren Rucksäcken auf Knieen durch einen Durchschlupf durch die Wand mussten - früher waren sie wohl wesentlich kleiner als wir.
Kurz darauf kamen wir am menschenleeren Strand an. Wirklich seit Tagen (eigentlich seit der ersten Etappe) verfolgten uns immer wieder Schilder mit der Aufschrift "Patara Green Park Camping und Restaurant". Mittlerweile hatten wir auf dieses Restaurant einen wirklichen Hass entwickelt. Schon viel zu oft freuten wir uns auf einen Kaffee in diesem Restaurant, das einfach nie kam. Hier am Strand von Pyndai wurden wir dann fündig - "Patara Green Park" lag direkt vor uns. Nachdem wir die Google Bewertungen allerdings lasen, der Ort komplett verlassen wirkte und wir eh nicht mehr gut zu sprechen auf diese Location waren, machten wir uns schnurstracks auf in Richtung Landesinneren.
Die 5. Etappe von Pydnai nach Xanthos (Kinik) fahren wir mit dem Bus
Nach fast 20 Kilometern und knapp 7 Stunden reiner Gehzeit, kamen wir endlich an unserem Etappenziel in Pydnai an (bitte beachte diese Zeitangabe auch für den GPX-Track am Ende des Artikels. Auch hier ist die maschinelle Zeitberechnung eine andere).
Wie sollten wir nun nach Xanthos kommen? Hier war weit und breit echt niemand zu sehen. Unser Plan per Anhalter zu fahren schied daher schnell aus. Wir trafen auf zwei tschechische Jungs, die ebenfalls nach Xanthos wollten, aber genauso planlos umher liefen. Kurz darauf stießen wir auf eine deutsche Wandergruppe. Witzigerweise wohnte die Mutter der einen Frau sogar im gleichen Ort wie Annikas Oma. Sie tauschten gleich Erinnerungen aus und waren voll im Gespräch. "Da vorne ist eine Bushaltestelle", meinten die Frauen. Ich konnte es kaum glauben, als wir auf ein kleines Haus zuliefen. Bereits andere Trekker saßen davor und warteten. Wo kamen auf einmal die ganzen Leute her, fragten wir uns verwundert. Während der ganzen Etappe hatten wir sonst niemanden gesehen. "In 1,5 Stunden kommt der Bus", wurde in die Allgemeinheit rein gerufen, um die Neuankömmlinge auf den aktuellen Stand zu bringen.
Irgendwie schienen wir heute echt Glück zu haben, denn nur 3 Minuten nach unsere Ankunft kam der kleine Dolmus. Für nicht einmal 1€ für 2 Personen fuhren wir an den hunderten von Gewächshäusern vorbei nach Xanthos.
Man gönnt sich ja sonst nix - türkische Leckereien die Zweite
Ob der Ort nun Kinik oder Xanthos heißt, habe ich bis heute nicht herausgefunden. Ich glaube "Xanthos" ist der antike Name der Stadt. Bevor wir die berühmten Überreste der Stadt besichtigten, gönnten wir uns in einem netten Café erstmal etwas Süßes. Zahlreiche kleine Gebäckteile reihten sich in der Theke aneinander. "Ich lade dich ein, such dir was aus", grinste Annika mich an. "Du hast alles geplant und organisiert und ich konnte mich noch gar nicht bedanken". Ich suchte mir 6 kleine Teile und einen Tee heraus, Annika natürlich einen Ayran sowie einen Cappuccino. Als wir dann zum Bezahlen wieder rein gingen, zückte Annika ihre Kreditkarte, weil sie ihr türkisches Bargeld aufsparen wollte. Wer weiß wann wir das nächste Mal in eine größere Stadt kamen und bargeldlos bezahlen können.
"Hä was hast du gerade bezahlt?", wollte ich von ihr wissen. "44 Lira", war ihre Antwort. "Im ernst?! Zeig mal her", schaute ich verwundert den Kassenzettel an. "Das sind nicht mal 1,50 Euro", antwortete ich erstaunt.
Oh man, war uns das peinlich, wegen 1,50 Euro die Kreditkarte gezückt zu haben. Auf den Schock hin gönnten wir uns noch weitere süße Gebäckteile, die wir dann auch bar bezahlten.
UNESCO Weltkulturerbe - die Ruinen von Xanthos und Letoon
Nachdem wir etwas Obst für unser morgiges Frühstück gekauft und unsere Wasservorräte aufgefüllt hatten, liefen wir weiter zu den Ruinen von Xanthos. Der Lykische Weg der nächsten Etappe, die nach Akbel geht, führt direkt an dieser Ruine vorbei. Wir wollten uns heute etwas abseits der Stadt einen Schlafplatz für die Nacht suchen.
Die Sonne stand bereits tief und warf ein wunderschönes, orangefarbenes Licht auf die antike Stadt. Besonders das römische Theater und lykische Grabmäler sind noch sehr gut erhalten. Die Geschichte der Stadt umfasst nahezu 2000 Jahre und war in der klassischen Antike geprägt vom Kampf um Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Die UNESCO ernannte Xanthos und den angrenzenden Tempelbezirk Letoon 1988 zum Weltkulturerbe.
Als wir durch die Ruinen schlenderten, sprachen wir einen älteren Herren an, ob er ein Foto von uns machen konnte. Das war echt witzig, denn es stellte sich heraus das der ägyptische Mann ein ziemlich guter Fotograf war. Nachdem er mir meine Kamera etwas erklärt hatte, wollte er mit seiner auch noch ein par Fotos von uns schießen. So wandelten wir uns dann für kurze Zeit von der Wanderin zum Model ;-)
Trekkingalltag: Schlafplatzsuche am Abend
Die antike Stadt hätte eigentlich Eintritt gekostet, was wir ehrlicherweise wirklich nicht wussten. Daher wurden wir dann etwas unfreundlich vom Platz gewiesen. Egal, wir wollten eh gehen. Die Sonne war schon am unter gehen und wir sollten schleunigst einen Platz für unser Zelt finden. Begleitet von einem Hund liefen wir hinter Xanthos über eine satt grüne Wiese. Übrigens war das heute bisher der erste Hund, der uns folgte, stellte ich verwundert fest. Die Tage zuvor hatten wir meist gleich mehrere im Schlepptau.
"Das sieht gut aus, ich glaube hier werden wir schnell fündig", waren wir beide voller Zuversicht. "Schau mal, da oben sind die beiden Tschechen", zeigte Annika an den Waldrand. Wir wollten nicht direkt neben den beiden Jungs unser Lager aufschlagen, waren aber etwas beruhigt, das wir hier nicht ganz alleine waren.
Die Jungs waren echt schneller und hatten sich das beste Plätzchen weit und breit gesichert. Wir liefen lange umher, schauten hinter Büsche und Sträucher, aber kein Platz sagte uns zu. Entweder zu dicht an der Straße, uneben oder auf einem starb zuvor ein Vogel und überall lagen seine Federn. Das war uns dann doch zu eklig.
Zwei Männer und Dosenbier - wenn das mal gut geht
Wir kamen zu einem Art Park, der mit einem Zaun abgegrenzt war. "Sollen wir da mal schauen?", fragte ich Annika. "Hier scheint es auch Bäume und Büsche zu geben, hinter denen wir vielleicht einen guten Platz finden". Wir liefen an zwei parkenden Autos vorbei, die vor dem Park standen. Der Geruch von Bier stieg uns in die Nase. Wenig später sahen wir die unzähligen leeren Dose auf dem Boden liegen. Daneben standen zwei Männer, einer in meinem Alter, der andere wesentlich älter. Wir grüßten sie freundlich, ganz geheuer waren sie uns aber nicht.
"Lass uns keine Anzeichen machen, das wir hier vorhaben zu schlafen", meinte ich zu Annika. "Wir laufen einfach selbstsicher in den Park rein und suchen uns außer Sichtweite dann einen geeigneten Platz". Gesagt getan, ein paar Minuten später stand unser Zeltplatz fest, doch wir waren nicht alleine...
Türkei und seine wilden Hunde - einer geht ja noch, aber fünf...
Erst kam ein Hund, dann noch einer und noch einer. Mit jedem Hund wurde Annika ängstlicher. Mittlerweile waren wir umringt von fünf Hunden. Aggressiv wirkten sie nicht, allerdings waren sie mega neugierig und aufdringlich. Ich kümmerte mich um den Zeltaufbau, dicht gefolgt von den Hunden. Für Annika war es heute ein Ding der Unmöglichkeit, denn die Hunde waren wirklich so nah, das sie permanent einen während des Aufbaus berührten. Toll fand ich es auch nicht, aber was sollten wir machen. Die Sonne war schon unter gegangen und das Zelt musste einfach jetzt schnell aufgebaut werden, wohl oder übel auch mit den Hunden im Nacken. Ich kann euch sagen, das war echt mega nervig. Man konnte nicht mal die Zelttüre auf machen und die Sachen rein legen, sofort waren die Hunde da und wollten ins Zelt. Ich musste sie regelrecht wegschieben und permanent schauen, das sie unsere Sachen nicht anpinkelten. Meine Nerven lagen mittlerweile auch etwas blank, aber das Zelt stand und was konnte jetzt noch passieren.
Die Horror Nacht nimmt ihren Lauf
"Kannst du dich bitte auch ums Essen kümmern", fragte Annika panisch. "Ich kann das nicht, ich kann das nicht", sagte sie hysterisch immer wieder. Die Arme, sie war echt durch. Jetzt mussten wir nur noch schnell irgendwie das Essen hin bekommen, dann ging es ins Zelt und dann würden die Hunde sicherlich Ruhe geben, redete ich mir beruhigend ein. Zum Glück hatten wir fertige Trekkingnahrung dabei, die man nur mit heißem Wasser aufgießen musste. Wirklich kochen hätten wir mit den aufdringlichen Hunden hier niemals gekonnt. Ich war schon sehr gespannt, wie die Meute auf Essen reagieren würde. Bisher waren sie friedlich, was würde aber der Futterneid in ihnen auslösen?
Natürlich fingen sie an, an uns hoch zu springen, als sie das Essen in unseren Händen rochen. "Lass uns in Bewegung bleiben und sie versuchen weitestgehend zu ignorieren", schlug ich vor. So drehten wir mit unserem Essen in der Hand kreise auf der Wiese und die Hunde tappelten hinter uns her. Ich fand es klappte eigentlich ganz gut. "Schau mal, einer hat schon aufgegeben und liegt jetzt da hinten", zeigte ich Annika. Ich konnte sie leider wenig beruhigen. Die Hunde sprangen an ihr hoch, weil sie leider ständig am rumzappeln war und ihnen Beachtung schenkte. Verständlich, wenn man Angst hat, nur leider machte das ihre Situation noch schlimmer. Schreiend warf sie ihr Trekkingessen, auf das sie sich schon den ganzen Tag gefreut hatte, aus Verzweiflung weg. Kurz waren die Hunde dadurch weg, doch sie kamen schnell wieder. "Ich kann nicht mehr", war Annika kurz vor dem Weinen. "Vielleicht können uns die Männer vorne helfen", meinte sie und lief zum Parkplatz. Ich ahnte schon, dass dies keine gute Idee sein würde...
Besorgt, freundlich oder aufdringlich - zum ersten Mal können wir aufgrund der Sprachbarriere nicht abschätzen, wie es gemeint ist
Von den zwei betrunkenen Männern war nur noch der alte da. Er konnte weder deutsch noch englisch und selbst die Konversation mit dem Google-Übersetzter funktionierte, vermutlich aufgrund seines Alkoholpegels, nicht. Ich aß mein Essen halbwegs in Ruhe weiter, während Annika immer noch totale Angst vor den Hunden hatte, die immer noch dicht um uns herum liefen. Der Mann zeigte uns mit seiner Mimik und Gestik, das die Hunde friedlich waren. Er streichelte sie und mir schien es so, als wolle er Annika ebenfalls zeigen, dass ruhig sein die beste Art war, mit den Hunden umzugehen.
Was dann folgte war eine komisch Art der Konversation die lediglich auf Gesten und Annahmen beruhte. Er deutete an, das er hier bei uns schlafen würde, um auf uns aufzupassen. Ob das nun in seinem Auto war, oder er unser Zelt meinte - keine Ahnung. "Lass uns bitte gehen", sagte ich zu Annika. "Mir behagt das Ganze nicht". Ich glaube anfangs empfand Annika nicht das gleiche wie ich. Sie unterhielt sich weiter mit dem Mann, fragte nach "Hotel" und deutete mit den gefalteten Händen am Gesicht die Geste für "Schlafen" an. "Lass das bitte, ich glaube er könnte das irgendwie missverstehen", war nun ich die Ängstliche. Der Mann wurde aufdringlicher. Nicht das er uns berührt hätte, sondern irgendwie in seiner Art, in seinem Blick. Wäre er nicht betrunken gewesen, hätte ich die Situation vielleicht anders empfunden. Wären wir nicht alleine und zwei Mädels gewesen, wäre es mir vermutlich ebenfalls wohler gewesen. Wobei die Situation damals mit Michael auf Mallorca auch nicht besser war, erinnerte ich mich in diesem Moment zurück (hier geht's zum Artikel).
Hör immer auf dein Bauchgefühl und versuche einen klaren Kopf zu bewahren
Endlich wurde auch Annika die Situation bewusst, in der wir steckten. Angst und Panik stieg sichtbar in ihr hoch. "Wir müssen jetzt einen klaren Kopf behalten", sagte ich laut und selbstbewusst zu uns beiden. Ich musste mich jetzt ebenfalls beruhigen und mir gut zureden. In Panik geraten bringt jetzt nichts. "Wir verabschieden uns jetzt freundlich und bestimmt von dem Mann", wies ich Annika an. "Dann laufen wir mit strammem Schritt zu unserem Zelt. Unser Vorteil ist, er weiß nicht wo das steht. Wir bauen schnell alles ab und laufen dann zu den Tschechen und fragen ob wir bei denen bleiben dürfen", zählte ich unsere nächsten Schritte auf.
"Wir müssen dann aber wieder an dem Mann vorbei laufen, es gibt keinen anderen Weg", zitterte Annika. "Ich weiß, aber wir bekommen das hin. Wir dürfen jetzt nur keine Angst ausstrahlen", war meine Ansage.
Vom einen auf den anderen Moment war bei mir der Schalter umgelegt - ich funktionierte jetzt nur noch. Normalerweise bin ich echt ein Angsthase. Wenn es allerdings drauf ankommt, bin ich da und kann alle Unsicherheit ausblenden. Damals auf Mallorca erging es uns ähnlich. Ebenfalls wegen betrunkenen Männern flüchteten wir von unserem Wildzeltplatz und ich war total panisch und ängstlich. Ich konnte daher sehr gut nachempfinden, wie es Annika jetzt gerade ging. Damals auf Malle war allerdings Michael dabei, der mich beruhigte und einen klaren Kopf behielt. Jetzt lag es an mir und ich fühlte mich verantwortlich.
Abhauen - unsere einzige Alternative
Wir setzten den Plan genauso um wie besprochen. Immerhin konnten wir uns darüber austauschen, da der Mann uns eh nicht verstand. Mittlerweile war es komplett dunkel. Am Zelt angekommen suchten wir erstmal unsere Stirnlampen. "Wir versuchen sie weitestgehend aus zu lassen, damit uns der Mann nicht sieht", sagte ich. Der Zeltabbau ging erstaunlich fix. Annika war wie gelähmt und konnte nicht wirklich mithelfen. Mir tat es Leid, das ich sie das ein oder andere Mal ziemlich harsch anwies jetzt einfach da zu stehen und nichts zu machen, weil sie in ihrer Panik eher Hektik in den Zeltabbau brachte. Egal, entschuldigen kann ich mich hinter her. Wir müssen jetzt einfach schnell hier weg, das ist für den Moment am wichtigsten, dachte ich mir.
Notdürftig war nun alles verpackt und wir konnten los.
"Ich hab Angst", zitterte Annika. "Ich auch", sagte ich ehrlich. "Aber wir schaffen das. Der Mann ist alt und betrunken. Im Notfall rennen wir und der wird uns nicht einholen", versuchte ich uns beide zu beruhigen. Im dem Moment als wir los laufen wollten, sahen wir die Lichter eines Autos vor uns. Der Typ fuhr mit seinem Auto in den Park und suchte uns.
Ein Licht geht uns auf
"Wir lassen die Lampen aus. So wie das Auto derzeit fährt, sieht er uns nicht", hoffte ich inständig. Strammen Schrittes liefen wir auf den Eingang des Parks zu. Immer wieder flüsterte ich: "wir machen das gut, er sieht uns nicht, wir sind stark und haben einen guten Plan". Das beruhigte mich, denn innerlich war ich alles andere als gelassen, auch wenn der äußerliche Eindruck ein anderer war.
Auf der Wiese vor dem Park sahen wir etwas weiter in der Ferne ein Licht brennen. "Das sieht nach einem Camper aus", meinte ich. Als erstes wusste ich nicht, ob uns das eher beruhigen oder beunruhigen sollte. Als wir näher kamen, sahen wir ein ungarisches Kennzeichen auf dem Auto. "Da ist eine Frau drin", sagte ich überglücklich zu Annika. "Bist du dir sicher?", fragte sie zögerlich. "Ja, absolut, ich habe sie durch die Scheibe kurz gesehen". In dem Moment drehte das Auto des alten Mannes und fuhr in unsere Richtung. "Los schnell, wir rennen da jetzt hin, klopfen und fragen ob wir das Zelt direkt vor dem Camper aufschlagen dürfen".
Ende gut, alles gut - auch wenn die Nerven blank liegen
Völlig erschöpft klopften wir an den Camper. Eine junge Frau und ein junger Mann öffneten uns. Aus Annika sprudelte es jetzt nur so heraus. Auf englisch erklärte sie den beiden unsere Situation. Natürlich durften wir bleiben. Sie schalteten uns das Außenlicht des Campers an. Während ich unser Zelt aufbaute, redete sich Annika ihre ganze angestaute Angst vom Herzen. Es freut mich sie endlich wieder lachen zu sehen. Ich wollte statt dessen nur noch schlafen und meine Ruhe. Jetzt da wir in Sicherheit waren, fiel alles von mir - die eingeredete Stärke, die Klarheit, der Mut, die Entschlossenheit und das fast schon maschinelle funktionieren. Ich war platt und zwar sowas von.
Der Mann drehte im Auto noch einige Kreise auf der Wiese, doch das machte uns keine Angst mehr. Später zog er dann auch weiter und wir sahen ihn nie wieder. "Ihr dürft jederzeit in der Nacht an den Camper klopfen, wenn was ist", sagten die beiden Ungarn zu uns und wünschten uns eine gute Nacht. Wir hatten echt absolut Glück im Unglück. Keine Ahnung, ob etwas passiert wäre, wenn wir geblieben wären. Vielleicht ja, vielleicht nein. Doch wir waren uns beide einig das es richtig war, es nicht ausprobiert und auf unser Bauchgefühl gehört zu haben. Die Hunde waren mittlerweile auch wieder bei uns und legten sich dicht im Kreis um unser Zelt - sie bewachten uns.
Den Übersichtsartikel mit Tipps und weiteren Infos zum Lykischen Weg findet ihr hier.
Ihr wollt die Tour auch gehen? Hier findet ihr den GPX-Track zur 4. Etappe des Lykischen Weg:
Outfit-Tipps gefällig? Hier findest du jeweils einen Artikel zum perfekten Wandersocken und Funktionswäsche (Baselayer).
Kommentar schreiben